Leiturteil: Auch eine Co-Mutter hat Elternpflichten
Anfang September 2019 fällte das Regionalgericht Bern-Mittelland ein wegweisendes Urteil für Regenbogenfamilien. Trennen sich zwei Frauen oder zwei Männer in eingetragener Partnerschaft, die gemeinsam Kinder haben und diese gemeinsam betreuten, wird der Unterhalt wie bei gemischtgeschlechtlichen Ehepaaren berechnet. Zudem regelte das Gericht das Besuchsrecht mit dem Co-Elternteil. Das Urteil nimmt somit Co-Eltern bei Regenbogenfamilien verstärkt in die Pflicht und stärkt die Rechte der Kinder. Es gibt Co-Eltern auch nach der Trennung eine Elternrolle mit den damit verbundenen Pflichten.
Die Partnerinnen lernten sich im Jahr 2004 kennen. Aufgrund eines gemeinsamen Kinderwunsches entschieden sich die Partnerinnen dann für eine offene Samenspende in Dänemark. Die Co-Mutter war bei jeder Insemination, jeder Untersuchung und der Geburt der Kinder dabei. Die leibliche Mutter reduzierte ihr Arbeitspensum nach der Geburt auf 50%. Die Co-Mutter blieb Hauptverdienerin der Familie. Um sich abzusichern, liessen die Partnerinnen ihre Partnerschaft eintragen. Ende 2016 trennten sich die Partnerinnen und die Co-Mutter verliess das gemeinsame Haus. Da sich die Partnerinnen nicht über den Unterhalt und das Besuchsrecht einigen konnten, musste nun das Gericht entscheiden.
Das Urteil ist aus folgenden Gründen bemerkenswert: Co-Eltern übernehmen wohl tagtäglich die soziale Rolle eines Elternteils, nicht jedoch eine rechtliche. Zu den gemeinsamen Kindern besteht – sofern keine Stiefkindadoption vorgenommen wird – rechtlich absolut keine Verbindung. Dies führt dazu, dass Co-Eltern gemäss Partnerschaftsgesetz bei einer Trennung zu keinem Kinderunterhalt verpflichtet werden können. Diese Gesetzeslücke besteht deshalb, weil das Partnerschaftsgesetz fälschlicherweise davon ausgeht, dass zwei Frauen oder zwei Männer nie zusammen Kinder haben. Gemäss dem neuen Leiturteil aus Bern hat die Co-Mutter nun auch für die Kinderkosten der alleinerziehenden Mutter aufzukommen. Mit diesem Urteil werden die gemeinsamen Kinder aus einer eingetragenen Partnerschaft bei einer Trennung faktisch gleichgestellt mit Kindern aus Ehen.
Dominic Nellen, Rechtsanwalt
Dominic Nellen ist selbständiger Rechtsanwalt in Bern. Er setzt sich privat wie auch beruflich für gesellschaftliche Öffnung und gegen Diskriminierung ein. Eines seiner Spezialgebiete ist LGBTI-Recht. nellen@kienerundnellen.ch
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