Christian Wernli
Vorstandsmitglied
Die Ungleichbehandlung von Homosexuellen in unserer Gesellschaft hat mich schon immer befremdet, sei es, dass uns nicht dieselben Zivilrechte gewährt werden (Stichwort «Ehe für alle»), sei es die Gewalt gegen Homosexuelle in der Öffentlichkeit, oder sei es die systematische Ausgrenzung aus der Gesellschaft (z. B. Kirche). Bis ich etwa 35 Jahre alt war, habe ich dies alles mit einer gewissen Gleichgültigkeit «ertragen», ich konnte zu vielen Themen sagen, dass sie mich in meinem Alltag nicht wirklich einschränken.
Seit mein Mann und ich unseren Kinderwunsch jedoch in die Tat umgesetzt haben, erlebe ich die rechtliche Diskriminierung durch mein Heimatland am eigenen Leib. Zum Beispiel bleiben Versicherungsfragen ungeklärt und unser Kind war für zwei Monate gar nicht versichert. Das Schweizer Bürgerrecht wurde nur mit grossen Schikanen gewährt. Unser Kind wurde mit Einreise in die Schweiz Halbwaise, obwohl in seiner Geburtsurkunde zwei Elternteile vermerkt sind. Die Elternberatung wurde durch die Gemeinde nicht informiert. Keine Lohnfortzahlung für den betreuenden Elternteil (er musste vor der Geburt kündigen). Die Kinderzulagen wurden erst nach 8 Monaten ausbezahlt. Keine finanzielle Absicherung (Waisenrente, Erbrecht, BVG), falls dem nichtgenetischen Elternteil etwas zustösst. Keine Möglichkeit des nichtgenetischen Elternteils, «sein» Kind gegenüber Arzt, Behörden etc. zu vertreten. Latente Sorge, dass die KESB sich meldet und dem Kind einen Beistand aufzwingen will. Schliesslich dann Stiefkindadoption erst nach 16 Monaten und mit hohen Hürden sowie Gebühren, während Heteros eine Anerkennung vorgeburtlich mit einem Federstrich und praktisch gratis erledigen können.
Während uns der Staat (also die Schweiz) mehrfach diskriminierte, haben wir in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis, bei der Nachbarschaft und bei Arbeitskolleginnen und -kollegen durchwegs Zuspruch und Herzlichkeit erfahren. Selbstverständlich durften wir zahlreiche – teils neugierige, teils kritische – Fragen beantworten, aber das ist absolut in Ordnung. Wir gaben und geben gerne Auskunft über unser Familienmodell.
Eigentlich schwebt man während der Schwangerschaft und nach der Geburt auf Wolke Sieben und man ist einfach überglücklich. Das war auch bei uns so. Jedoch hatten wir stets zu kämpfen mit den erwähnten Diskriminierungen und wir erlebten einen Spiessrutenlauf mit den Behörden. Diese Erfahrung hat mich darin bestärkt, mich für die Gleichstellung und die Überwindung der rechtlichen Diskriminierungen zu engagieren.