Catherine Fussinger
Co-Präsidentin
Wenn ich meinen eigenen Lebensweg anschaue, wird mir bewusst, wie weit wir in den letzten Jahren gekommen sind, was die Rechte von LGBT-Paaren und -Familien angeht. Meine Lebensgefährtin und ich waren bereits seit mehr als 10 Jahren zusammen, als das Gesetz über die eingetragene Partnerschaft in Kraft trat. Unsere beiden Kinder sind 2010 und 2014 geboren – das ältere ein paar Monate vor der Gründung des Dachverbandes Regenbogenfamilien. Dass wir uns getraut haben, unseren Traum, eine Familie zu gründen, zu verwirklichen, verdanken wir in erster Linie dem Beispiel einer lesbischen Freundin, die sich zusammen mit einem schwulen Mann für den Weg der Co-Elternschaft entschieden hat, und später einem befreundeten Frauenpaar, das medizinisch unterstützte Fortpflanzung im Ausland in Anspruch genommen hat. Als unser Projekt konkrete Formen annahm, war es für uns sehr wertvoll, uns in Rechtsfragen durch die Juristin des Genfer Verbandes Association 360 beraten lassen zu können. Damit erhielten wir die bestmögliche Absicherung bei der Gründung unserer «gesetzlosen» Familie. Als unser erstes Kind zur Welt kam, wagten wir nicht zu hoffen, dass wir beide seine rechtlichen Mütter sein könnten, bevor es volljährig war. Dank der unglaublichen Arbeit, die unser Verband innerhalb weniger Jahre geleistet hat, und dank diverser Unterstützung aus Gesellschaft und Politik ist dies heute möglich. Ich bin all denjenigen, die sich dafür eingesetzt haben, zutiefst dankbar.
Vier Dinge bringen mich heute dazu, mich im Dachverband Regenbogenfamilien zu engagieren. Erstens die Notwendigkeit, diejenigen zu unterstützen, die bereits so viel getan haben. Ich wünsche mir auch, dass immer mehr von uns konkret die Verbandsarbeit mitgestalten – auf nationaler oder kantonaler Ebene oder auch rund um eine spezifische Aktivität oder ein bestimmtes Projekt. Der zweite Grund für mein Engagement ist der Schrecken, den ich empfand, als ich merkte, was das Verfahren der Stiefkindadoption konkret beinhaltet. Ich freute mich, dass unsere Familie endlich Ankerkennung finden würde – und wurde mit einer Vorgehensweise konfrontiert, die mich an die „Inquisition“ erinnerte. Das brachte mich dazu, die Schaffung einer «Arbeitsgruppe Recht» anzuregen. Ich hoffe, dass unsere Bemühungen dazu beitragen, dass Familien das Verfahren einleiten und sich dabei besser gewappnet und besser aufgehoben fühlen. Es liegt allerdings auf der Hand, dass dieses Verfahren nicht der geeignete rechtliche Weg für unsere Familien ist. Darum müssen wir alles daran setzen, so schnell wie möglich die Elternschaft ab Geburt zu erreichen. Mein dritter Beweggrund ist die Überzeugung, dass gemeinsame Arbeit viel bewegen kann. Ich finde es wertvoll, dass wir uns zusammensetzen und unsere individuellen Erfahrungen einbringen, um Änderungen herbeizuführen, die allen nützen. Die kantonale Ebene scheint mir hierzu einen geeigneten Rahmen zu bilden, und ich freue mich über das, was wir im Kanton Waadt in der Zeit 2017-2018 erarbeiten konnten. Viertens weiss ich sehr zu schätzen, wie vielfältig, konkret und unmittelbar nützlich die Projekte sind, die unser Verband umsetzt, und wie professionell dabei vorgegangen wird.
Nicht zuletzt weil ich mich in den 1990er-Jahren stark in der feministischen Bewegung engagiert habe, ist mir klar, dass das „Persönliche politisch ist“ und dass politische und gesellschaftliche Änderungen erreicht werden müssen, damit auf persönlicher Ebene jede Regenbogenfamilie ihr Leben so gut wie möglich leben kann.