Ratgeber

für (künftige) Regenbogenfamilien

Die finanzielle Unterstützung durch die Unterleistungsvereinbarung mit Pro Familia hat die Realisierung dieses Ratgebers ermöglicht.

© Dachverband Regenbogenfamilien Schweiz, 2017, aktualisiert Dezember 2022.
Alle Rechte vorbehalten
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Einleitung

Abstract & Dank

Der vorliegende Ratgeber greift im ersten Teil Mythen und Vorurteile gegenüber Regenbogenfamilien und LGBTIQ*-Personen mit Kinderwunsch auf und liefert Argumente, um diese abzubauen. Im zweiten Teil werden Möglichkeiten und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Familiengründung von LGBTIQ*-Personen aufgezeigt. Der dritte Teil widmet sich den Herausforderungen im Familien- und Schulalltag von Regenbogenfamilien und liefert praktische Tipps im Umgang damit. Die verschiedenen Themen werden mit den Ergebnissen der Umfrage zur Situation von Regenbogenfamilien in der Schweiz von 2017 ergänzt und mit persönlichen Erfahrungsberichten bereichert.

Die Informationen in diesem Ratgeber wurden von aktiven Mitgliedern des Dachverbands Regenbogenfamilien zusammengetragen. Speziell soll an dieser Stelle folgenden Personen gedankt werden:

Martin della Valle, Chatty Ecoffey, Nuray Erler, Tobias Kuhnert, Delphine Roux, Hannes Rudolph, Martina & Maria von Känel sowie den Personen, die mit ihren persönlichen Erlebnisberichten diesen Ratgeber bereichern.

Vorwort

von Maria von Känel
Gründungsmitglied, Dachverband Regenbogenfamilien

Mit der Öffnung der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare im 2018 und der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Juli 2022 sind wichtige Schritte zur rechtlichen und sozialen Anerkennung der Lebensrealitäten von Regenbogenfamilien in der Schweiz gelungen. Die deutliche Zustimmung zur Gesetzesvorlage von 64,1% der Stimmberechtigten und aller Kantone zur «Ehe für alle» ist ein starkes Zeichen für die Akzeptanz der vielfältigen Formen des Zusammenlebens und der Familienvielfalt.

Im Alltag sind LGBTIQ*-Personen mit Kinderwunsch und Regenbogenfamilien oft mit praktischen Fragen konfrontiert, z.B. wenn es darum geht, welche Möglichkeiten zur Familiengründung bestehen, oder wie eine Vereinbarung zur Betreuung, Erziehung und zum Unterhalt des Kindes getroffen werden kann, oder warum die Kindesschutzbehörde (KESB) zu einem Termin einlädt. Auf solche und weitere Fragen geht unser Beratungsteam seit 2010 mit gesammelten Erfahrungswissen ein bzw. vermittelt weiter an Fachpersonen.

Im Rahmen meiner Tätigkeit als Geschäftsführerin des Dachverbands Regenbogenfamilien habe ich schon unzählige Familien zu Terminen auf Behörden, Fachstellen und in Schulen begleitet und festgestellt, dass es vielen Fachpersonen an Wissen zu Regenbogenfamilien und an Erfahrung im Umgang mit diesen fehlt. In den persönlichen Gesprächen konnten die Lücken geschlossen, Verständnis geweckt und oftmals gute Lösungen für alle Beteiligten gefunden werden.

Mit dem vorliegenden Ratgeber möchten wir unser gesammeltes Erfahrungswissen weitergeben und einige Empfehlungen zu herausfordernden Situationen machen. Wir wollen LGBTIQ*-Personen, -Paare und -Familien ermutigen, sich für ihre Familien- und Lebensform stark zu machen, wenn nötig Hilfe einzufordern und mit ihrer Sichtbarkeit zur Anerkennung von Regenbogenfamilien in der Schweiz beizutragen. Wir hoffen, mit diesem Ratgeber eine hilfreiche Unterstützung bei der Familienplanung und im Alltag zu bieten, und wünschen eine informative und inspirierende Lektüre.

Erläuterungen zum Sprachgebrauch

von Tobias Kuhnert

In diesem Ratgeber wird das Akronym LGBTIQ+ verwendet. Es steht für lesbische, schwule (gay), bisexuelle/-romantische, trans, intergeschlechtliche und queere Menschen. Lesbisch, schwul und bisexuell/-romantisch sind sexuelle/romantische Orientierungen, bei denen sexuelle/romantische Anziehung für das gleiche Geschlecht (L und G) oder für das eigene und andere Geschlecht(er) (B) empfunden wird. Das Gegenteil von LGB ist heterosexuell/-romantisch. Trans bezeichnet eine Geschlechtsidentität und bedeutet, dass das Geschlecht, das einem Menschen bei der Geburt zugeordnet wurde, nicht mit dessen eigener geschlechtlichen Identität übereinstimmt. Trans Menschen können sich sowohl als Frau oder Mann identifizieren oder eine Geschlechtsidentität haben, die nicht oder nicht nur in dieser Binarität zu verorten ist. Das Gegenteil von trans ist cis. Als intergeschlechtlich werden Menschen bezeichnet, deren körperliche Merkmale sich nicht in die medizinisch definierten Normen «männlicher» und «weiblicher» Körper einordnen lassen. Das Gegenteil von intergeschlechtlich ist endogeschlechtlich oder dyadisch. Queer ist ein Überbegriff für Menschen, die nicht der heterosexuellen/-romantischen, cis und/oder endogeschlechtlichen Norm entsprechen. Das Pluszeichen zum Schluss verweist auf das Bewusstsein der Unvollständigkeit dieser Aufzählungen und steht somit für weitere sexuelle, romantische, geschlechtliche und körperliche Varianten sowie Identitäten und symbolisiert diesen gegenüber Offenheit.

Ebenso wird der Genderstern verwendet. Dies ist der Asterisk, der zwischen der grammatikalisch männlichen und weiblichen Form steht (z.B. Besucher*in). Er schliesst nicht nur die zwei binär geordneten Geschlechter Frau und Mann ein, sondern verweist auf die Vielfalt weiterer Geschlechter/-identitäten. Die heteronormative Konstruktion von Geschlecht kann so vermieden werden. Unter Heteronormativität wird verstanden, dass ausschliesslich von zwei Geschlechtern (weiblich und männlich) ausgegangen wird, die biologistisch «begründet» werden und hierarchisch (männlich steht über weiblich) geordnet sind, sich diese gegenseitig begehren und sich jeweils geschlechterrollenkonform verhalten (sollen). Alle anderen Identitäten und Lebensweisen werden in dieser Konstruktion nicht berücksichtigt. Der Genderstern ermöglicht somit einen Zwischenraum, der auf Geschlechter und Geschlechterrollen jenseits von oder zwischen Frau und Mann verweist.

Trotz dieser sprachlichen Inklusionswerkzeuge wird dieser Ratgeber nicht frei von heteronormativen Begriffen sein. Es wurde versucht, Begriffe wie Samenspender und Leihmutter, die auf biologisierte Merkmale und bestimmte damit verbundene Zuschreibungen (Samenspender=Mann; Mutter=gebärend=Frau) rekurrieren, zu ergänzen und zu erweitern, um zu vermeiden, dass heteronormative Denkweisen verfestigt werden. Da gerade der Bereich Elternschaft stark sprachlich biologisierend ist, ist uns das aber nicht an allen Stellen zufriedenstellend gelungen. Das Fehlen vollumfänglicher Differenziertheit soll ausdrücklich nicht der Verfestigung von Heteronormativität dienen, sondern ist fehlenden inklusiven Begriffen geschuldet.

Umgang mit Quellen

Die Inhalte dieses Ratgebers stützen sich allesamt auf das praktische und theoretische Fachwissen der Autor_innen. Weitere Quellen sind stets zum Schluss des jeweiligen Kapitels vermerkt und bezeichnet.

Vorurteile in Bezug auf Regenbogenfamilien und LGBTIQ*-Menschen mit Kinderwunsch

von Delphine Roux

In diesem Teil werden die gängigsten Vorurteile zum Thema Regenbogenfamilien und LGBTIQ*-Menschen mit Kinderwunsch vorgestellt. Auf der Grundlage der internationalen Forschung und der Ergebnisse der nationalen Umfrage des Dachverbands Regenbogenfamilien «Regenbogenfamilien in der Schweiz» werden die einzelnen Vorurteile hier widerlegt.

Vorurteil 1: LGBTIQ*-Menschen wollen bzw. haben keine Kinder

Regenbogenfamilien existieren und es werden immer mehr. In den letzten 10 Jahren hat die Zahl der Kinder in Regenbogenfamilien stark zugenommen, denn mehr als die Hälfte der jungen LGBTIQ*-Menschen haben einen Kinderwunsch.

Entgegen dem weitverbreiteten Vorurteil wollen und können LGBTIQ*-Menschen Kinder haben bzw. haben bereits welche. Wie viele Kinder genau in der Schweiz in Regenbogenfamilien aufwachsen, lässt sich schwer sagen. Dies liegt unserer Einschätzung nach vor allem daran, dass schweizweite Umfragen und Studien durch ihre Fragestellung bzw. Methodologie LGBTIQ*-Menschen mit Kindern sowie die vielfältigen Formen von Regenbogenfamilien bisher nicht hinreichend berücksichtigen. Hinzu kommt, dass es LGBTIQ*-Menschen vielfach widerstrebt, etikettiert oder gar in nationalen Umfragen erfasst zu werden. «Das Bundesamt für Statistik [räumt] ein, dass die extrapolierten Zahlen zu gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kind(ern) «mit grosser Vorsicht zu interpretieren» (Bundesamt für Statistik 2012) sind. Folglich gibt es keine verlässlichen Angaben zur Anzahl gleichgeschlechtlicher Paare mit Kind(ern)», so Yv E. Nay [1], Forscher_in an der Universität Basel.

Praxisbeobachtungen durch LGBTIQ*-Verbände und Organisationen der Familien-, Kinder- und Jugendarbeit zeigen jedoch, dass immer mehr Kinder in Regenbogenfamilien aufwachsen. Schätzungen von Expert_innen zufolge leben in der Schweiz aktuell zwischen 6’000 und 30’000 Kinder in Regenbogenfamilien. Diese Zahlen basieren auf zwei verschiedenen Hochrechnungen aus Deutschland und Frankreich [2]. Die Umfrage «Regenbogenfamilien in der Schweiz» liefert weitere Hinweise: Von 884 teilnehmenden LGBTIQ*-Personen haben 40% bereits Kinder, das heisst, 582 Kinder wachsen mit 353 LGBTIQ*-Elternteilen auf. Daraus lässt sich ableiten, dass in Regenbogenfamilien im Durchschnitt 1,6 Kinder aufwachsen, was etwa der Schweizer Geburtenrate von 1,54 entspricht.

Familienvielfalt und Regenbogenfamilien

Einem ebenfalls verbreiteten Vorurteil zufolge stammen Kinder in Regenbogenfamilien zwangsläufig aus vorherigen heterosexuellen Beziehungen und haben einen Vater und eine Mutter, weswegen sie von der Öffnung der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare gar nicht profitieren würden. Das trifft zwar auf einige dieser Kinder zu, auf viele jedoch nicht. Regenbogenfamilien gibt es in den unterschiedlichsten Konstellationen. Es gibt Frauen- und Männerpaare, die mit eigenen, adoptierten oder zur Pflege aufgenommenen Kindern leben und sich Mami/Mama oder Papi/Papa nennen; LGBTIQ*-Personen, die sich ihren Kinderwunsch allein erfüllen oder sich zur Familiengründung zusammentun und eine queere Familie bilden; Frauen- und Männerpaare, die zusammen eine Mehrelternfamilie gründen; oder lesbische, schwule, bisexuelle oder heterosexuelle Transfamilien. Und noch viele mehr.

Auf die Frage, wie ihre Familie gegründet wurde, gaben die Teilnehmenden der nationalen Umfrage «Regenbogenfamilien in der Schweiz» an, ihre Kinder seien folgendermassen entstanden:

  • 33% durch künstliche Befruchtung aus einer Samenbank im Ausland (anonyme oder bekannte Samenspende)
  • 31% aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen
  • 17% durch private Samenspende
  • 10% durch Co-Elternschaft
  • 3% durch Leihmutterschaft im Ausland
  • 2% aus aktuellen heterosexuellen Beziehungen
  • 1% aus Fortsetzungsfamilien (Kinder aus vorherigen homo- oder heterosexuellen Beziehungen)
  • Eine geringe Anzahl an LGBTIQ*-Menschen hat durch (nationale oder internationale) Adoption oder durch Aufnahme von Pflegekindern eine Familie gegründet.

Auf die Frage, ob sie von der Anfang 2018 in Kraft tretenden Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Eltern Gebrauch machen werden, antworteten diese LGBTIQ*-Eltern folgendermassen:

  • 44% werden davon Gebrauch machen und einen Adoptionsantrag stellen.
  • Bei 38% wird der_die Partner_in davon Gebrauch machen und einen Adoptionsantrag stellen.
  • 46% werden von der infolge der Gesetzesänderung erhöhten Akzeptanz in der Gesellschaft profitieren.

Entgegen dem verbreiteten Vorurteil ist also die Zahl der Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, keineswegs gering, und nicht wenige Kinder werden mit Inkrafttreten der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare vom entsprechenden rechtlichen Schutz profitieren, denn 53% der Familien der Umfrage «Regenbogenfamilien in der Schweiz» sind durch künstliche Befruchtung im Ausland, private Samenspende oder Leihmutterschaft gegründet worden.

LGBTIQ*-Menschen und Kinderwunsch

Manche LGBTIQ*-Menschen möchten eine Familie gründen, andere wiederum wollen keine Kinder haben – genau wie heterosexuelle Menschen auch. 18% der Teilnehmenden der Umfrage «Regenbogenfamilien in der Schweiz» waren zwischen 16 und 24 Jahre alt, 36% zwischen 25 und 34 Jahre, und 31% zwischen 35 und 44 Jahre. Aus den Ergebnissen geht weiter hervor, dass 54% der teilnehmenden LGBTIQ*-Menschen, die noch keine Kinder haben, in naher Zukunft eine Familie gründen möchten. Der Wunsch, eine Familie zu gründen, ist unter LGBTIQ*-Jugendlichen und jungen Erwachsenen also durchaus präsent. Bei einer 2012 von Michel Dorais und Isabelle Chollet durchgeführten französischen Umfrage gaben 60% der befragten jungen Lesben und Schwulen im Alter von unter 25 Jahren an, eine Familie gründen zu wollen [3].

Wie möchten diese LGBTIQ*-Menschen ihre zukünftige Familie gründen? Die Umfrage «Regenbogenfamilien in der Schweiz» zeichnet folgendes Bild:

  • 24% durch Adoption und Stiefkindadoption
  • 16% durch künstliche Befruchtung mit offener Samenspende
  • 12% durch künstliche Befruchtung mit anonymer Samenspende
  • 12% durch private Samenspende
  • 10% durch Co-Elternschaft
  • 8% durch Leihmutterschaft
  • 8% durch die Aufnahme eines Pflegekindes
  • 8% wissen noch nicht wie

Diese Zahlen zeigen, dass auch die zukünftigen Kinder vom rechtlichen Schutz durch die Stiefkindadoption profitieren werden. In derselben Umfrage gaben 43% der Teilnehmenden als eine ihrer Ängste an, dass ihr Kind rechtlich nicht als solches anerkannt werde [4].

Gleiche Rechte

«Die Schweiz hat 1997 die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert. Damit hat sie sich verpflichtet, diese Rechte jedem Kind in der Schweiz zu gewährleisten, ohne jede Diskriminierung und unabhängig jeglichen Status des Kindes oder seiner Eltern (Art. 2 KRK). Eine Schlechterstellung von Kindern in Regenbogenfamilien, z.B. in Bezug auf ihre Unterhaltsrechte, widerspricht diesem Prinzip», so Stefanie Knocks, Geschäftsführerin des Netzwerks Kinderrechte Schweiz [5]. Unabhängig der tatsächlichen Zahl von betroffenen Kindern in der Schweiz haben diese also ohne Ausnahme ein Anrecht auf Gleichstellung und Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ihrer Eltern.

[1] Nay, Yv E.. (2016). Was sagt die Wissenschaft zu «Regenbogenfamilien»? Eine Zusammenschau der Forschung, S. 1-9. http://www.regenbogenfamilien.ch/de/fakten/
[2] Nay, Yv E.. (2016). Idem
[3] Dorais, Michel und Chollet, Isabelle. (2012). Être homo aujourd’hui en France: enquête. Broschiert.
[4] Ausserdem zu diesem Thema: Dachverband Regenbogenfamilien. (2015): Dossier gleichgeschlechtliche Elternschaft – Revision Adoptionsrecht. http://www.regenbogenfamilien.ch/de/material/publikationen/
[5] Dachverband Regenbogenfamilien. (2015). Dossier gleichgeschlechtliche Elternschaft – Revision Adoptionsrecht, S. 4. http://www.regenbogenfamilien.ch/de/material/publikationen/

Vorurteil 2: LGBTIQ*-Menschen sind keine guten Eltern

Als Eltern verfügbar zu sein, eine verlässliche und tragfähige Beziehung zum Kind zu pflegen, emotionale Wärme und Halt zu bieten, ein belastbares soziales Umfeld zu schaffen und das Kind in seiner individuellen Entwicklung zu unterstützen, hat nichts mit der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu tun, weshalb LGBTIQ*-Menschen genauso gute Eltern sein können wie andere.

Ein Vorurteil bezüglich Regenbogenfamilien, das sich auch unter Fachpersonen in der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit hartnäckig hält und von dem man annimmt, dass es die Ursache für rechtliche Diskriminierungen wie das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption für gleichgeschlechtliche Paare oder den Ausschluss von der medizinisch unterstützten Fortpflanzung ist, besagt, dass LGBTIQ*-Menschen keine guten Eltern seien. Die Kinder würden sich nicht gut entwickeln; es fehle ihnen der Vater oder die Mutter. Es gebe keine seriöse wissenschaftliche Forschung oder gar überhaupt keine Forschung, aus der hervorginge, dass es diesen Kindern gut gehe und dass LGBTIQ*-Menschen gute Eltern seien.

Internationale Studien seit 40 Jahren

Das Gegenteil ist richtig. Seit 1970 wird die psychische, soziale und kognitive Entwicklung von Kindern, die bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, untersucht, und in dieser internationalen Forschung wird einhellig darauf verwiesen, dass Kinder in Regenbogenfamilien sich ebenso gut entwickeln wie andere Kinder und ein ausgewogenes soziales, schulisches und später berufliches Leben führen. Entscheidend für das Wohlergehen der Kinder sind die Beziehungsqualität und das Klima in der Familie – nicht die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der Eltern. Dies haben 72 quantitative und qualitative Langzeitstudien aus Deutschland, England, den Niederlanden, Frankreich, Kanada, den USA und Australien ergeben [1]. Der Schwerpunkt dieser Forschung liegt auf der Elternkompetenz sowie der kognitiven, psychischen und sozialen Entwicklung der Kinder.

Von Gegner_innen gern zitierte Gegenstudien entsprechen nicht den wissenschaftlichen Kriterien: Insbesondere zwei Studien wollen beweisen, dass Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, benachteiligt seien. Allerdings fand weder die von Mark Regnerus 2012 durchgeführte «New Family Structures Study», noch die von D. Paul Sullins 2015 verfasste Studie «Emotional Problems among Children with Same-sex Parents: Difference by Definition» in der Fachwelt Anerkennung, da sie wissenschaftlichen Kriterien nicht genügten [2].

«Es braucht einen Vater und eine Mutter …»

Ein weiteres weitverbreitetes Vorurteil beginnt mit «Es braucht einen Vater und eine Mutter …

  • … um ein Kind aufzuziehen.» Nein, die internationale Forschung hat gezeigt, dass die massgebliche Voraussetzung für gutes Gedeihen das Vorhandensein einer konstanten Bezugsperson ist, die dem Kind menschliche Wärme und Halt gibt, ein stabiles soziales Umfeld schafft und es in seiner individuellen Entwicklung unterstützt. Dieses Vorurteil der sogenannten traditionellen Familie als einzig gültigem und gangbarem Modell für das Wohl des Kindes wirft auch Fragen zur sonstigen aktuell gelebten Familienvielfalt auf: Eltern in Eineltern- oder Patchworkfamilien beispielsweise sind genauso gute Eltern wie andere. Vor diesem Hintergrund ist es für das Wohl des Kindes unerheblich, ob es in einer Familie mit gegengeschlechtlichen Eltern, einer Einelternfamilie oder einer Regenbogenfamilie aufwächst.
  • … sonst wird sich das Fehlen von Vater oder Mutter später negativ auswirken.» Kinder in Regenbogenfamilien sind von Menschen aller Geschlechter umgeben, z.B. Grossvater, Onkel, Pate, Lehrer, wenn sie mit zwei Müttern aufwachsen, und von entsprechenden weiblichen Bezugspersonen, wenn sie mit zwei Vätern aufwachsen. Ihre Norm ist die eigene Familie. Dieses Vorurteil baut zudem auf der falschen Vorstellung auf, gewisse Elternkompetenzen seien geschlechtsspezifisch und biologisch begründet: Sanftheit und Fürsorge für die Kinder sowie die Arbeit im Haushalt seien der Mutter vorbehalten, Autorität und sportliche Aktivitäten mit den Kindern hingegen dem Vater. In Wirklichkeit sind diese stereotypen Geschlechterrollen und die daraus abgeleiteten starren Elternrollen soziale Konstrukte: Die Forschung zeigt, dass es keinen Mutterinstinkt gibt und dass de facto nicht immer die Mutter die Fürsorgliche und der Vater der Autoritäre ist. Gleichgeschlechtliche Eltern sind ein perfektes Beispiel dafür, da sie diese starren Elternkategorien sprengen. Studien zeigen, dass sie sich die Arbeit im Haushalt und die elterlichen Aufgaben gleichmässig teilen und dabei die Interessen, Kompetenzen und Persönlichkeiten beider Elternteile berücksichtigen.
  • … um ein Kind zu zeugen.» Wie die Techniken der medizinisch unterstützten Fortpflanzung zeigen, gehören Geschlechtsakt, Fortpflanzung und Elternschaft auch im heterosexuellen Kontext schon lange nicht mehr zwingend zusammen: Es braucht nicht einen Mann und eine Frau, um ein Kind zu zeugen, sondern eine Eizelle und eine Samenzelle.

[1] http://whatweknow.law.columbia.edu/topics/lgbt-equality/what-does-the-scholarly-research-say-about-the-wellbeing-of-children-with-gay-or-lesbian-parents/

[2] http://www.regenbogenfamilien.ch/fakten/

Vorurteil 3: Regenbogenfamilien sind keine «natürlichen» Familien

Familie ist da, wo sich Eltern um ihre Kinder kümmern. Regenbogenfamilien sind so natürlich wie andere auch, denn aus Liebe entsteht Familie.

Regenbogenfamilien werden oft der Klein- oder Kernfamilie mit einem Vater und einer Mutter gegenübergestellt, als gäbe es nur einen gültigen und vorherrschenden Familientyp. Oft hört man auch, dass Regenbogenfamilien diese sogenannte «traditionelle» Familie, die der Grundstein der Gesellschaft sei, zerstören würden und dass sie keine «natürlichen» Familien seien.

Familie ist eine soziale Institution

Die Gesellschaft wandelt sich – und mit ihr die Familienformen. Familie ist eine soziale, von der Gesellschaft konstruierte Institution und damit weder natürlich noch weltanschaulich begründet. Die schweizerische Gesellschaft setzt sich nicht ausschliesslich aus dem Modell der Kernfamilie zusammen, sondern aus einer Vielfalt von Familienformen: Patchwork-, Eineltern-, Kern-, Adoptiv-, Pflege-, Regenbogen-, Mehrelternfamilien etc. sind Familienformen, bei denen der Schwerpunkt nicht auf den biologischen, sondern auf den sozialen Verbindungen liegt. Was eine Familie ausmacht und wer dazu gehört, wird von jeder Familie individuell definiert. Das Konzept der Regenbogenfamilie beruht auf einem sozialen Familienmodell, bei dem der Fokus in erster Linie auf der Bindung und der Bereitschaft liegt, unabhängig von biologischer Verwandtschaft Verantwortung zu übernehmen. Objektiv betrachtet ist eine Familie mit zwei Müttern oder zwei Vätern oder auch mit einem schwulen Vater und einer lesbischen Mutter, die kein Paar sind, natürlich ebenfalls eine Klein- oder Kernfamilie.

Was also für die eine Familie natürlich oder normal ist, muss es nicht für die andere sein, wie auch die gesellschaftlichen Normen je nach Land, Ort und Gesellschaft unterschiedlich sind. So definiert auch die Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF) Familien als «jene Lebensformen eigener Art […], die sich durch die Gestaltung der grundsätzlich lebenslangen Beziehungen von Eltern und Kindern im Generationenverbund sowie – daran orientiert – der Beziehungen zwischen den Eltern konstituieren und als solche gesellschaftlich anerkannt werden.» [1]

Beispiele für den Wandel von Familie und Recht:

  • Vor 50 Jahren waren Scheidungen sehr schlecht angesehen. 2015 endet die Hälfte aller Ehen in einer Scheidung, und es gibt immer mehr Patchworkfamilien.
  • Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts war das Konkubinat in den meisten Kantonen verboten – im Wallis bis 1995 – und uneheliche Kinder waren rechtlos und galten als Bastarde. 2016 sind Menschen, die in einer Paarbeziehung leben, mehrheitlich verheiratet, doch ein Fünftel von ihnen leben im Konkubinat zusammen [2].
  • Eine Betrachtung des Familienrechts im 20. Jahrhundert zeigt, dass erst 1978 bei Ehepaaren mit Kindern beiden Elternteilen die elterliche Sorge zuerkannt wurde; vorher hatte allein der Vater die elterliche Sorge, genannt «väterliche Gewalt» [3].
  • Mit dem neuen Adoptionsgesetz, das Anfang 2018 in Kraft tritt, wird die Stiefkindadoption nicht nur gleichgeschlechtlichen Paaren offenstehen, sondern auch gegengeschlechtlichen bzw. heterosexuellen Paaren in faktischen Lebensgemeinschaften. Dies ist ein rechtlicher Fortschritt, mit dem das Adoptionsrecht modernisiert wird, denn eine solche Adoption war bisher verheirateten Paaren vorbehalten.

Sind Regenbogenfamilien wirklich neue Familienformen?

Nein. Regenbogenfamilien gab es schon lange bevor der Begriff den Weg ins öffentliche Bewusstsein fand. Als anekdotisches Beispiel: Anna Freud, Tochter von Sigmund Freud, lebte bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit ihrer Partnerin Dorothy Burlingham und deren Kindern aus einer vorangegangenen heterosexuellen Beziehung zusammen.

Zerstörung der traditionellen Familie?

Kein Familienmodell ist dem anderen überlegen, und keines stellt durch seine Existenz eine Bedrohung für andere Familienmodelle oder deren Rechte dar. Regenbogenfamilien sind in keiner Weise eine Bedrohung für die Existenz sogenannter traditioneller Familien und zwingen diesen auch nicht ihr Familienmodell auf. Ebenso wenig schmälert die Gewährung gleicher Rechte für alle Familien die grundlegenden Rechte der heterosexuellen Kleinfamilien. «Alle übernehmen Verantwortung und schenken ihren Nächsten Liebe, Geborgenheit und Zukunftsperspektiven. Um ihre Verantwortungen gegenüber ihren Kindern wahrnehmen zu können, müssen alle Familien, ungeachtet ihrer Lebensform, faire Chancen haben. Diese haben sie, wenn die Gesellschaft und die Politik ihre Realitäten anerkennen und dafür besorgt sind, dass die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass namentlich das Wohl des Kindes ins Zentrum der Überlegungen rückt. Das erfordert einen diskriminierungsfreien Umgang mit allen Menschen, die sich für die unschätzbare und unbezahlbare innerfamiliäre Erziehungs- und Betreuungsarbeit zugunsten der kommenden wie auch der älteren Generationen einsetzen», so Lucrezia Meier-Schatz, alt Nationalrätin CVP und ehemalige Geschäftsführerin von Pro Familia Schweiz, im Vorwort der «Informationsbroschüre Regenbogenfamilien» [4].

Eine unnatürliche Familie?

  • … «Weil sie nicht durch den Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau entstanden ist»: Heute wird immer stärker zwischen Fortpflanzung bzw. dem Geschlechtsakt und Elternschaft unterschieden: 10% der Schweizer Bevölkerung sind unfruchtbar, in der Altersgruppe von 30 bis 35 Jahren sind es 25% bis 30% [5]. Oft wird auf gleichgeschlechtliche und insbesondere auf lesbische Paare verwiesen, wenn von medizinisch unterstützter Fortpflanzung (im Ausland) die Rede ist, doch sie sind bei weitem nicht die einzigen. Mehrheitlich sind es nämlich gegengeschlechtliche Paare bzw. heterosexuelle Menschen, die medizinisch unterstützte Fortpflanzung oder Leihmutterschaft (im Ausland) in Anspruch nehmen. Zu beachten ist, dass ein verheirateter Mann rechtlich automatisch als Vater des Kindes seiner Frau angesehen wird, auch wenn das Kind durch Samenspende auf Schweizer Boden oder im Ausland gezeugt wurde – diese automatische Elternschaftsanerkennung gibt es für gleichgeschlechtliche Paare jedoch nicht.
  • … Die von Gegner_innen gerne als Beleg für die Unnatürlichkeit von Homosexualität und Kinderwunsch von LGBTIQ*-Menschen herangezogene Natur ist gar nicht so eindeutig, wie man es uns glauben machen will: Bei Seepferdchen tragen die Männchen die Babys aus; Schnecken und Clownfische sind intersexuell; «ein Hai-Weibchen zeugt alleine weiter Babys» [6], genau wie beispielsweise Quallen [7]; und über 1’500 Tierarten legen homosexuelles Verhalten an den Tag. Was das Aufziehen von Babys in der Tierwelt angeht, haben zwei Pinguin-Männchen im Bremerhavener Zoo gemeinsam ein von einem Weibchen im Stich gelassenes Ei ausgebrütet und anschliessend das Pinguinbaby zusammen aufgezogen [8], während Pukeko-Vögel ihre Babys in Mehrelternfamilien mit bis zu 18 Küken im Nest grossziehen [9] – dies nur zwei Beispiele «unnatürlicher» Familienformen, die in der Natur doch so verbreitet sind.

[1] Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen EKFF. (2003). Warum Familienpolitik? https://www.ekff.admin.ch/fileadmin/user_upload/ekff/05dokumentation/d_03_Publ_Warum.pdf

[2] RTS Info. (01.04.2016). «Les trois quarts des Suisses sont en couple et le mariage a toujours la cote». https://www.rts.ch/info/suisse/7614048-les-trois-quarts-des-suisses-sont-en-couple-et-le-mariage-a-toujours-la-cote.html

[3] Eidgenössische Kommission für Frauenfragen. (2001). Frauen Macht Geschichte 1848-2000. Kapitel 3.5. Frauen im Zivilrecht. https://www.ekf.admin.ch/ekf/de/home/dokumentation/geschichte-der-gleichstellung–frauen-macht-geschichte/frauen-macht-geschichte-18482000.html

[4] Dachverband Regenbogenfamilien und Association 360, Groupe Homoparents. (2015). Informationsbroschüre Regenbogenfamilien. http://www.regenbogenfamilien.ch/de/material/publikationen/

[5] Le Temps. (12.05.16). Faire des bébés, pas si simple. https://www.letemps.ch/societe/2016/05/12/faire-bebes-simple

[6] Sciences et Avenir. (19.01.2017). «En absence de mâle, une femelle requin continue seule de faire des bébés». https://www.sciencesetavenir.fr/animaux/animaux-marins/la-femelle-requin-zebre-peut-changer-de-mode-de-reproduction_109866

[7] Futura Planète. «Reproduction des méduses et cycle de vie». http://www.futura-sciences.com/planete/dossiers/zoologie-monde-mysterieux-meduses-1061/page/6/

[8] Le Monde. (03.06.2009). «Un couple de manchots gays adopte petit avec succès». http://www.lemonde.fr/europe/article/2009/06/03/un-couple-de-manchots-gays-adopte-un-petit-avec-succes_1202028_3214.html

[9] The Guardian. (18.07.2016). «New Zealand: Earth’s Mythical Islands – in pictures».
https://www.theguardian.com/environment/gallery/2016/jul/18/bbc-new-zealand-earths-mythical-islands-in-pictures

Vorurteil 4: Kinder mit LGBTIQ*-Eltern werden ihrerseits LGBTIQ*

Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, werden später genauso oft oder so selten LGBTIQ* wie andere Kinder.

«LGBTIQ*-Eltern machen ihre Kinder auch zu LGBTIQ*» ist ein ebenfalls verbreitetes Vorurteil, das oft als Argument vorgebracht wird, um LGBTIQ*-Menschen zu verbieten, Kinder zu haben.

Die internationale Forschung dekonstruiert auch dieses Vorurteil: Der Anteil der Kinder aus Regenbogenfamilien, die sich später als LGBTIQ* definieren, ist derselbe wie bei Kindern aus Familien mit gegengeschlechtlichen Eltern [1]. Die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der Eltern hat also keinerlei Einfluss auf die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der Kinder.

Abgesehen davon, dass die meisten LGBTIQ*-Menschen heterosexuelle Eltern haben (also auch nicht «wegen» ihren Eltern LGBTIQ* sind), kann niemand jemanden LGBTIQ* «machen»: LGBTIQ* zu sein ist keine Krankheit und damit weder ansteckend noch heilbar; man erlernt es nicht über die Erziehung und es ist auch keine eigene Entscheidung.

Allerdings kann es für Kinder aus Regenbogenfamilien, die sich später Fragen zur eigenen sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität stellen, leichter sein als für Kinder aus Familien mit gegengeschlechtlichen Eltern, mit ihren Eltern darüber zu sprechen, und sie werden bei ihrem Coming-out im Gegensatz zu vielen jungen LGBTIQ* hoffentlich nicht auf Ablehnung seitens der Familie stossen.

Zu beachten ist, dass dieses Vorurteil eindeutig auf LGBTIQ*-Feindlichkeit fusst: Wenn Homosexualität, Bisexualität und Transidentität nicht als Problem angesehen würden, wäre es nämlich auch kein Problem, wenn Kinder aus Regenbogenfamilien wie ihre Eltern auch LGBTIQ* wären.

[1] Coalition des Familles LGBT. Des recherches scientifiques pour déconstruire les mythes à propos des familles homoparentales. «Mythe 5: les enfants qui vivent dans des familles homoparentales vivent dans la confusion quant à leur identité de genre et aux rôles de genre conventionnels», S. 16-17, und «Mythe 6: les enfants qui ont des parents homosexuels seront aussi homosexuels», S. 19-20. http://www.familleslgbt.org/documents/pdf/CFH_MELS_Module_Mythes_FRA.pdf

Vorurteil 5: Die Kinder sind LGBTIQ*-Feindlichkeit ausgesetzt

LGBTIQ*-Feindlichkeit ist in unserer Gesellschaft stark verbreitet. Die Familienform kann daher ein Grund sein für Hänseleien. Meist entwickeln die Kinder gleichzeitig aber konstruktive Bewältigungsstrategien.

«Kinder aus Regenbogenfamilien erfahren zwangsläufig Ablehnung und soziale Exklusion», insbesondere seitens ihrer Klassenkamerad_innen: Im Gegensatz zum Vorurteil 4 basiert dieses Vorurteil nicht ausschliesslich auf LGBTIQ*-Feindlichkeit, sondern zeugt eher von Besorgnis hinsichtlich des Wohls der Kinder und zieht eine Parallele zu Diskriminierungen, denen junge LGBTIQ*-Menschen auch heute noch oft ausgesetzt sind.

Studien zeigen, dass Kinder aus Regenbogenfamilien nicht zwangsläufig Ablehnung oder soziale Exklusion – also LGBTIQ*-Feindlichkeit quasi in Stellvertretung für ihre Eltern – erleben, aber manchmal Hänseleien ausgesetzt sein können. Ihnen werden vor allem von ihren Kamerad_innen viele Fragen gestellt, die davon zeugen, wie wenig über diese Familienform bekannt ist. In der nationalen Umfrage «Regenbogenfamilien in der Schweiz» gaben 30% der teilnehmenden Eltern an, LGBTIQ*-Feindlichkeit ihrer Familie gegenüber – also nicht zwangsläufig direkt ihren Kindern gegenüber – erlebt zu haben, und «nur» 4,5% der Kinder haben in der Schule LGBTIQ*-Feindlichkeit erlebt.

Hier soll auch daran erinnert werden, dass die Mehrheit der Gesamtbevölkerung in der Schweiz die rechtliche Gleichstellung von Kindern, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, befürwortet [1].

«Die Familienform wird von den meisten Gleichaltrigen akzeptiert. Gleichwohl kann es vorkommen, dass die Familienform ein Grund für Hänseleien ist. Meist entwickeln die Kinder gleichzeitig aber konstruktive Bewältigungsstrategien.» [2] Im Gegensatz zu vielen jungen LGBTIQ* finden diese Kinder Unterstützung bei ihren Eltern, die ihnen Werkzeuge in die Hand geben, um solche Situationen zu bewältigen und Fragen zu beantworten. Im Grossen und Ganzen pflegen sie gute Beziehungen zu Gleichaltrigen sowie zu den Erwachsenen aus ihrem Umfeld [3]. Als Jugendliche können sie selbst entscheiden, ob und wann sie ihre Familienform erwähnen.

Kinder werden hauptsächlich rechtlich diskriminiert, da sie nicht bezüglich beider Elternteile geschützt sind. Kontakte mit Behörden und Schulen können ebenfalls komplizierter sein, weil die Angestellten öffentlicher Dienste nicht unbedingt mit dem Thema Regenbogenfamilien vertraut oder diesen Familien gegenüber voreingenommen sind. Die Kinder stellen zudem fest, dass ihre Familienform unsichtbar gemacht wird und die sogenannte traditionelle Familie als einzig gültiges Modell in Schulbüchern, Literatur, Medien usw. dargestellt wird.

Daneben ist natürlich anzumerken, dass man Eltern nicht wegen des ebenfalls vorherrschenden Sexismus davon abraten würde, Töchter zu bekommen, oder Menschen anderer Herkunft oder Kultur, sie sollen zum Vermeiden von Rassismus keine Kinder mehr bekommen. Nötig und wichtig ist vor allem, sich umgekehrt zu fragen, was getan werden muss, um eine Gesellschaft auf der Grundlage von Gleichstellung und Vielfalt, ohne Diskriminierung jeglicher Art, aufzubauen. Zu betonen ist ebenfalls, wie wichtig es ist, Fachpersonen aus der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit zum Thema Regenbogenfamilien zu sensibilisieren und sie zu schulen sowie die vielfältigen Familienformen in Betreuungs- und Bildungsstätten sichtbar zu machen.

[1] Isopublic-Umfrage «Homoparentalité» vom 12.06.2010. http://www.regenbogenfamilien.ch/docus/52_Isopublic_UmfrageFRA.pdf

[2] Rupp, M.. (2009). Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Köln: Bundesanzeiger-Verl.-Ges.

[3] Coalition des Familles LGBT. Des recherches scientifiques pour déconstruire les mythes à propos des familles homoparentales. «Mythe 8: les enfants qui sont élevés dans des familles homoparentales ont plus de difficultés dans leurs relations sociales», S. 23-25. http://www.familleslgbt.org/documents/pdf/CFH_MELS_Module_Mythes_FRA.pdf

Vorurteil 6: «Diese Kinder werden belogen»

Kinder in Regenbogenfamilien werden in der Regel transparent und altersentsprechend über ihre Entstehung aufgeklärt.

«Diese Kinder werden belogen» (gemeint ist meist hinsichtlich ihrer Abstammung): Dies ist ein oft gehörtes Vorurteil, das regelmässig bei den extrem homophoben Demonstrationen der Bewegung «La Manif pour tous» rund um die Parlamentsdebatte zur Öffnung der standesamtlichen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Frankreich vorgebracht wurde.

Zunächst einmal: Selbstverständlich verstehen Kinder schnell, dass eine Eizelle und eine Samenzelle nötig sind, damit ein Baby entstehen kann. Die Philosophin, Psychotherapeutin und Autorin Nicole Prieur berichtet, dass sie in regelmässigen Gesprächen mit Kindern in ihrer Praxis fünf wichtige Fragen identifiziert hat, die immer wieder von Kindern aus Regenbogenfamilien gestellt werden. Die erste lautet: «Von welchem Paar stamme ich ab?» Aus dieser Fragestellung schliesst sie, dass Kinder aus Regenbogenfamilien sich durchaus darüber im Klaren sind, dass zum Zeugen eines Babys eine Samenzelle und eine Eizelle nötig sind [1].

Die Abstammung der Kinder, wie sie gezeugt worden und zur Welt gekommen sind, ist für Regenbogenfamilien genauso wichtig wie für Familien mit gegengeschlechtlichen Eltern. Kinder mit zwei Vätern oder zwei Müttern wachsen mehrheitlich von Geburt an mit beiden Elternteilen auf: Hier gibt es also keine abwesenden Väter oder Mütter, die man den Kindern verheimlicht, sondern private Samenspender, Samenspender im Ausland oder Leihmütter, die bereit waren, bei der Gründung einer Familie mitzuhelfen, oder Menschen, die sich nicht um ihre Kinder kümmern konnten, sie zur Adoption freigegeben und in voller Kenntnis der Sachlage juristisch wirksam auf ihre entsprechenden Rechte verzichtet haben. Den Kindern wird nach und nach mit altersgerechten Worten transparent erklärt, wo sie herkommen und wie sie entstanden sind. Die kanadische Forscherin Isabel Côté weist darauf hin, dass beispielsweise die Samenspende an sich, mit bekanntem oder unbekanntem Spender, keinerlei Einfluss auf das Wohl des Kindes hat: «Wichtig ist, die Frage der Abstammung von der Frage des Geheimnisses um die Art der Zeugung zu trennen: Durch Samenspende entstandene Kinder, die ihr Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung einfordern, sind diejenigen, die auf mehr oder weniger brutale Art die Umstände ihrer Entstehung erfahren haben, weil diese geheim gehalten worden waren. Dass Kinder leiden, liegt also an der Geheimhaltung ihrer Entstehungsgeschichte und nicht an der Entstehungsgeschichte selbst.» [2]

[1] Dachverband Regenbogenfamilien und Association 360 – Groupe Homoparents. (Mai 2013). Bilan de la 2e Conférence nationale Familles arc-en-ciel. Nicole Prieur: «La question des origines: entre dogmatisme et ouverture», S. 23

[2] Dachverband Regenbogenfamilien und Association 360 – Groupe Homoparents. (Mai 2013). Bilan de la 2e Conférence nationale Familles arc-en-ciel. Isabel Côté: «Du père au géniteur en passant par le tiers intéressé́. Le rôle du donneur au sein des familles lesboparentales québécoises», S. 26

Wenn LGBTIQ*-Menschen eine Familie gründen

Adoption | Stiefkindadoption

von Martina von Känel, Nuray Erler, Tobias Kuhnert und Martin della Valle

Eine Adoption bedeutet, dass eine erwachsene Person oder ein Paar die Elternschaft für ein nicht leibliches Kind übernimmt. Bei einer Stiefkindadoption wird das Kind der Partnerin_des Partners adoptiert. Mit der Adoption entsteht eine vollwertige Elternschaft mit allen Rechten und Pflichten, inklusive in den Bereichen elterlich Sorge, Unterhalt, Erbrecht, Sozialversicherungsrecht etc. Das Adoptionsverfahren wird in internationalen, eidgenössischen und kantonalen Gesetzen geregelt.

Die Zahl der Adoptionen in der Schweiz nimmt seit 1980 kontinuierlich ab. Im Jahre 2021 wurden 467 Adoptionen verzeichnet, drei Viertel davon waren Stiefkindadoptionen. Der Rückgang der Adoptionen ist auf Gesetzesanpassungen und die Anwendung des Haager Übereinkommens über den Schutz von Kindern in Bezug auf internationale Adoptionen, die Abnahme der unerwünschten Schwangerschaften dank Verhütungsmitteln sowie auf Fortschritte in der Fortpflanzungsmedizin zurückzuführen.

Für eine Adoption müssen eine Reihe allgemeiner Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Umstände müssen erwarten lassen, dass die Adoption und die Aufnahme zur Adoption dem Wohl des Kindes dienen.
  • Das Wohl anderer Kinder der künftigen Adoptiveltern darf nicht gefährdet werden.
  • Die Zustimmung der leiblichen Eltern zur Adoption muss vorhanden sein.
  • Die rechtlichen Bestimmungen müssen eingehalten sein.

Die Eignung der künftigen Adoptiveltern wird im Hinblick auf das Wohl und die Bedürfnisse des aufzunehmenden Kindes ebenfalls abgeklärt. Eine Eignung besteht, wenn die künftigen Adoptiveltern

  • genügend persönliche, gesundheitliche, zeitliche und wirtschaftliche Ressourcen mitbringen, erzieherische Fähigkeiten aufweisen sowie geeignete Wohnverhältnisse für eine gute Betreuung, Erziehung und Ausbildung des Kindes bieten können;
  • bereit sind, das Kind in seiner Eigenart anzunehmen, dessen Herkunft zu achten und es (im Fall einer internationalen Adoption) entsprechend seinen Bedürfnissen mit seinem Herkunftsland auf geeignete Weise vertraut zu machen;
  • nicht wegen eines Delikts verurteilt worden sind, das mit einer Adoption unvereinbar wäre;
  • genügend auf die Adoption vorbereitet sind und geeignete Vorbereitungs- oder Informationsveranstaltungen besucht haben;
  • nicht mehr als 45 Jahre älter sind als das Adoptivkind, ausser es besteht bereits eine vertraute Beziehung.

Erhöhte Anforderungen werden gestellt, wenn ein über 4 Jahre altes Kind, ein gesundheitlich beeinträchtigtes Kind oder gleichzeitig mehrere Kinder aufgenommen werden sollen oder bereits in der Familie leben.

Gemeinschaftliche Adoption

Die gemeinschaftliche Adoption ist verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren und seit 1.1.2022 auch gleichgeschlechtlichen Ehepaaren vorbehalten. Paare in faktischen Lebensgemeinschaften sind in der Schweiz von der gemeinschaftlichen Adoption ausgeschlossen.

Einzeladoption

Die Einzeladoption ist möglich, wenn die adoptierende Person mindestens mindestens 28 Jahre alt, weder verheiratet ist noch in einer eingetragenen Partnerschaft lebt und mindestens 16 Jahre älter ist als das Kind. Die Einzeladoption steht grundsätzlich auch LGBTIQ*-Menschen offen, kommt aber eher selten zur Anwendung und bildet somit eher eine Ausnahme. Es gibt mehr adoptionswillige Eltern als Kinder, die zur Adoption freigegeben sind.

Stiefkindadoption

Seit 1. Januar 2018 steht die Möglichkeit der Stiefkindadoption auch gleichgeschlechtlichen Paaren, die verpartnert, verheiratet oder in einer faktischen Lebensgemeinschaft leben, offen. Konkret bewirkte die Gesetzesänderung, dass eine Person das Kind ihrer Partnerin_ihres Partners adoptieren kann, Die Stiefkindadoption wird beispielsweise dann notwendig, wenn der Co-Elternteil im Falle einer privaten Samenspende oder bei Inanspruchnahme einer ausländischen Samenbank das Kind des austragenden Elternteils adoptieren will, oder auch wenn der Co-Elternteil das durch Leihmutterschaft entstandene Kind des biologischen Elternteils adoptieren will.

Mit der Stiefkindadoption wird sichergestellt, dass Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, im Falle des Todes ihres leiblichen Elternteils bei ihrem zweiten Elternteil verbleiben können und nicht fremdplatziert werden. Im Falle des Todes ihres nicht-leiblichen rechtlichen Elternteils haben sie einen Erbanspruch sowie einen Anspruch auf Waisenrente. Des Weiteren wird gewährleistet, dass sie ihren zweiten rechtlichen Elternteil im Trennungsfall weiterhin sehen können und auch einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt haben.

Screen Shot 2017-05-31 at 16.35.39Gemäss einer vom Dachverband Regenbogenfamilien 2017 durchgeführten Umfrage wollen 24% der Personen, die noch keine Kinder haben, mittels Adoption eine Familie gründen. Im Gegensatz dazu hat lediglich 1% der Teilnehmenden dank Adoption als Einzelperson im Inland oder als Paar im Ausland die Familiengründung realisieren können. In Bezug auf die Stiefkindadoption wollen 44% der Teilnehmenden nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung einen Antrag zur Stiefkindadoption stellen. Bei 38% der Teilnehmenden wird der_die Partner_in einen Antrag stellen.

TIPPS ZUM ADOPTIONSPROZESS

·       Klären, ob die allgemeinen und spezifischen Voraussetzungen als künftige Adoptiveltern erfüllt werden können

·       Besuch einer Informationsveranstaltung einer Adoptionsfachstelle

·       Individuelle Beratung durch eine Adoptionsfachstelle in Anspruch nehmen

·       Im Falle der Stiefkindadoption:

o   Teilnahme an einem spezifischen Workshop des Dachverbands Regenbogenfamilien (Ausschreibung über Facebook/Newsletter)

o   Beratung der zuständigen Fachstelle bzw. Beratung und ggf. Begleitung zu Behördenterminen bei (vermuteten) Schwierigkeiten durch den Dachverband Regenbogenfamilien

Quellen:
Bundesamt für Justiz. (06.2014). Adoption in der Schweiz. Abgerufen von https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/gesellschaft/adoption.html
Bundesamt für Statistik. Diverse Texte und Dokumente. Abgerufen von www.bfs.admin.ch
Dachverband Regenbogenfamilien. (2017). Nationale Umfrage über Regenbogenfamilien in der Schweiz.
Dachverband Regenbogenfamilien. (2014). Vernehmlassung zur Änderung des Zivilgesetzbuches (Adoption). Abgerufen von www.regenbogenfamilien.ch/material/medienmitteilungen
PACH Pflege- und Adoptivkinder Schweiz. (n.d.). Diverse Texte und Dokumente. Abgerufen von www.pa-ch.ch
Schweizerische Bundeskanzlei. Diverse Texte und Dokumente. Abgerufen von www.ch.ch

aus heterosexuellen Bezügen

von Martina von Känel, Nuray Erler, Tobias Kuhnert und Martin della Valle

Viele LGBTIQ*-Eltern haben ihre Familien vor dem Coming-out gegründet. Die Kinder stammen entweder aus früheren heterosexuellen Beziehungen oder sind vor dem Trans*-Coming-out entstanden. Der Prozess des Coming-out als LGBTIQ*-Elternteil weist einige Besonderheiten auf. Insbesondere wenn es zu einer Trennung oder Scheidung kommt, besteht häufig die Angst, dass die elterliche Sorge oder der Kontakt zu den eigenen Kindern erschwert oder verhindert wird. Diese Sorge beeinflusst den Umgang mit dem Coming-out zentral. Früher kam es vor, dass LGBTIQ*-Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder vorenthalten oder entzogen wurde, wenn ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität bekannt wurde. Dies hat sich mittlerweile erfreulicherweise verbessert, doch führt das Coming-out nach wie vor zu Auseinandersetzungen mit Behörden und Ex-Partner_innen.

Eine Trennung aufgrund eines Coming-outs der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität bedeutet nicht «nur» das Ende einer Beziehung, sondern auch das Ende des vertrauten (hetero-/cisnormativen) Lebens und vielleicht auch ein Bruch mit dem Umfeld. Es beginnt eine neue Phase, in der mit sozialer Diskriminierung sowie unvertrauten Beziehungsstrukturen und Rollendefinitionen umgegangen werden muss. Häufig führt eine Trennung auch zum Verlust von materiellen Ressourcen, sozialen Privilegien und Beziehungen.

Auch das soziale Umfeld, Kinder, Ex-Partner_in, Freund_innen und Verwandte brauchen Zeit, um sich mit der neuen Situation vertraut zu machen. Wenn die Kinder fortan ihren Lebensmittelpunkt bei ihrem LGBTIQ*-Elternteil haben, wird ihre Auseinandersetzung mit der neuen Familienkonstellation ein anderes Gewicht haben als bei Kindern, die in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft oder eine Familie mit Transelternteil hineingeboren werden. Die mit einer Trennung einhergehenden neuen Lebensumstände können für Kinder grosse Herausforderungen darstellen, unabhängig von der bisherigen oder zukünftigen Familienform. Gerade in einem Alter, wenn Kinder und Jugendliche bereits von der eigenen physischen und emotionalen Entwicklung in Anspruch genommen werden, können die grossen familiären Veränderungen als zusätzliche Belastung empfunden werden – von der zusätzlichen Herausforderung, Eltern zu haben, die von der hetero-/cis Norm abweichen, ganz zu schweigen. Bei der Entwicklung der eigenen Identität und Autonomie ist die Einstellung Gleichaltriger zu anderen Beziehungs- und Lebensformen ausserhalb der heterosexuellen/cis Norm von grosser Bedeutung. Eine positive und gleichwertigkeitsorientierte Haltung des sozialen Umfelds gegenüber LGBTIQ*-Menschen kann sich förderlich im Prozess der Anerkennung der neuen Lebensumstände auswirken. Eine (vermeintlich) abwertende und ablehnende Einstellung hingegen kann sich negativ auf die Bewältigung auswirken und sogar zur Ablehnung des neu geouteten Elternteils und/oder des neuen Partners_der neuen Partnerin führen.

Entscheidend ist der Umgang aller Beteiligten mit der neuen Lebenssituation, egal in welchem Lebensalter ein Kind beim Coming-out des Elternteils ist. Die gegenseitige Fürsorge und Liebe sowie die Gesprächskultur und die Qualität der Beziehungen innerhalb der Familie bilden die wesentlichen Ressourcen für die Bewältigung dieser Herausforderungen und den weiteren gemeinsamen Weg für Eltern und Kinder.

Zur Unterstützung und zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch haben sich Gruppen für frauenliebende Mütter und männerliebende Väter mit Kindern aus heterosexuellen Beziehungen gebildet. Auch für Transmenschen gibt es Gruppen und Vernetzungsmöglichkeiten. In diesen Gruppen geht es darum, mit anderen Menschen, die sich in derselben Lage befinden, über die neue Situation reden zu können und neue Bekanntschaften und Freundschaften zu knüpfen.

Beratung und Gelegenheit zum Austausch finden Eltern mit spätem Coming-out auch in den Angeboten und Treffen des Dachverbands Regenbogenfamilien.

Familiengründung LGBTEine Umfrage des Dachverbands Regenbogenfamilien von 2017 hat gezeigt, dass bei rund einem Drittel (31%) der heutigen Regenbogenfamilien in der Schweiz die Kinder aus früheren heterosexuellen Beziehungen stammen. Bei 2% der Teilnehmenden stammen die Kinder aus aktuellen heterosexuellen Beziehungen.

TIPPS ZUM UMGANG MIT SPÄTEM COMING-OUT

  • Veränderung transparent machen
  • Genügend Zeit und Raum lassen, um die Veränderung zu verarbeiten
  • Gesprächsangebote machen
  • Rituale beibehalten
  • Kontakt herstellen mit Gleichgesinnten für Eltern und Kinder

Quellen:
Dachverband Regenbogenfamilien. (2017). Nationale Umfrage über Regenbogenfamilien in der Schweiz.
Jansen, E., Bruns, M., Greib, A. & Herbertz-Floßdorf, M. (2014). Regenbogenfamilien – Alltäglich und doch anders. Beratungsführer für lesbische Mütter, schwule Väter und familienbezogene Fachkräfte (2. komplett überarbeitete Auflage). Familien- und Sozialverein des LSVD (Hrsg.). Köln: LSVD. Abgerufen von https://www.lsvd.de/lebensformen/lsvd-familienseiten/beratungsfuehrer-regenbogenfamilien.html
Selbsthilfecenter. (n.d.). Gruppenliste, Stichwort «Leski Frauenliebende Mütter» [Website]. Abgerufen von www.selbsthilfecenter.ch/selbsthilfegruppen/

Gruppen:
www.hab.lgbt/schwule-vaeter
www.habs.ch/?page/arbeitsgruppen/schwule-vater
www.selbsthilfecenter.ch/selbsthilfegruppen/, Stichwort «Leski Frauenliebende Mütter»
www.tgns.ch

Samenspende

von Nuray Erler, Tobias Kuhnert, Martina von Känel und Martin della Valle

Zur Erfüllung des Kinderwunsches von LBTIQ*-Personen/Paaren besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Samenspende über eine Samenbank im Ausland, einer privaten Samenspende, einem heterosexuellen oder anderen sexuellen Kontakt mit einer Person, die Samenzellen hat. Seit 1.1.2022 ist der Zugang zu Schweizer Samenbanken auch für verheiratete gleichgeschlechtliche Frauenpaare/Transpaare offen.

Ein Überblick über die Kliniken findet sich unter: https://www.sgrm.org/de/info-f%C3%BCr-patienten/samenspende/samenspenderzentren

Die Wahl einer Samenspende, ob über eine Samenbank oder privat, kann ein langwieriger Prozess sein. Eine Herausforderung für LBTIQ*-Paare ist oft die Frage, wer mit den Inseminationen starten soll und wie viele Versuche gemacht werden sollen. Kann eine der beiden Frauen / Transmenschen nicht schwanger werden, führt dies nicht selten zu Auseinandersetzungen oder sogar Trennungen. Es gibt auch LBTIQ*-Personen/Paaren, die mittels dieser Methode nicht schwanger werden können und sich in der Folge überlegen, eine Eizellenspende (aktuell in der Schweiz noch nicht erlaubt) zu machen, auf anderem Wege eine Familie zu gründen oder darauf zu verzichten.

Seit Inkrafttreten der Ehe für alle steht auch verheirateten gleichgeschlechtlichen Frauenpaaren/Transpaaren in der Schweiz der Zugang zu Samenbanken offen. Nicht verheiratete oder in eingetragener Partnerschaft lebende Paare sowie Einzelpersonen sind weiterhin von fortpflanzungsmedizinischen Verfahren ausgeschlossen. Ebenso stehen Männerpaare keine fortpflanzungsmedizinischen Verfahren offen, um ein Kind zu zeugen. Die Leihmutterschaft ist weiterhin verboten. Die Durchführung der künstlichen Befruchtung im Ausland sowie die Umgehung des Leihmutterschaftsverbotes im Ausland sind nicht strafbar.

Wollen LBTIQ*-Personen/Paaren die Beteiligung der samenspendenden Person am Familienleben möglichst klein halten oder finden keine geeignete Person für eine Samenspende, entscheiden sie sich unter Umständen für eine Samenbank. Bei einigen führen auch biologisch-medizinische Gründe zur Wahl einer Fruchtbarkeitsklinik im Ausland. Bei den Samenbanken in der Schweiz wird die offene Samenspende (Yes-Samenspende) praktiziert, bei der das Kind nach Erlangen des 18. Lebensjahres Auskunft über die samenspendende Person erhält. Es besteht jedoch ein gewisses Risiko, dass die samenspendende Person zu diesem Zeitpunkt keinen Kontakt mehr möchte, unauffindbar oder verstorben ist. Bei der anonymen Samenspende (No-Samenspende), die im Ausland angewandt wird, wird die Identität der samenspendenden Person nicht bekannt gegeben. Es besteht jedoch die Möglichkeit einer anonymen Samenspende mit erweitertem Profil. Dabei erhalten die werdenden Eltern grundlegende Angaben über die samenspendende Person, wie beispielsweise Angaben über die Kindheit, familiäre Umstände, Beruf, Hobbys, Babyfotos usw. Einerseits entstehen bei einer No-Samenspende keine Unsicherheiten in Bezug auf einen zukünftigen Kontakt/Kennenlernen, andererseits kann das Kind dadurch aber sein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung nicht wahrnehmen. Bei der offenen wie auch bei der anonymen Samenspende von einer Samenbank unterzieht sich die samenspendende Person vor der Spermaabgabe einer medizinischen Abklärung.

Der Zugang zu Samenbanken ist für LBTIQ*-Personen/Paaren in folgenden europäischen Ländern möglich: Dänemark, Belgien, Finnland, Grossbritannien, Holland, Österreich, Schweiz und Spanien.

Viele LBTIQ*-Personen/Paaren entscheiden sich für eine private Samenspende, weil sie sich für ihr Kind wünschen, dass es Kenntnis seiner biologischen Abstammung hat. Neben diesen Gründen können auch die finanziellen Möglichkeiten eine Rolle spielen: Weil die Kosten einer Samenspende in der Schweiz für LBTIQ*-Personen/Paaren bislang von den Krankenkassen nicht übernommen werden oder die Kosten für Reise und Aufenthalt bei einer ausländischen Samenbanken hoch sind. Eine private Samenspende kann mittels der sogenannten Heiminsemination, auch Bechermethode genannt, durchgeführt werden. Das direkte Einführen von Samenzellen in die Gebärmutter resp. die Gebärmutterhöhle wird in der medizinischen Fachsprache auch donogene oder heterologe Insemination genannt. Für das Einführen der Spermien werden Spritzen benutzt. Samenspenden von Privatpersonen können sowohl im privaten Umfeld als auch auf Online-Plattformen (z.B. www.familyship.org) gefunden werden. Auf Online-Plattformen suchen nicht nur LBTIQ*-Personen/Paaren nach einer Samenspende, auch GBTIQ*-Männer und Transfrauen suchen auf diesem Weg nach Interessent_innen, entweder zur Gründung einer Familie (eine sogenannte Co-Elternschaft) oder um ihr Sperma anzubieten. Ist die passende samenspendende Person gefunden, sind Gesundheitschecks vor der Insemination für beide Beteiligten zu empfehlen.

Bei der Wahl einer privaten Samenspende stellt sich die Frage, welche Rolle die samenspendende Person zukünftig übernehmen soll. Die Vorstellungen der Beteiligten sollten unbedingt möglichst detailliert besprochen werden, um eine mögliche (In-)Kompatibilität abzuklären. Dies lässt sich im Voraus jedoch nicht immer definitiv festlegen, weshalb ein nicht zu unterschätzendes Risiko besteht, dass vormals getroffene Abmachungen nach der Geburt des Kindes nicht mehr eingehalten werden können, was unter Umständen zu schwierigen bis hin zu unüberwindbaren Auseinandersetzungen führen kann.

Die Gründung einer Regenbogenfamilie durch eine private Samenspende basiert auf Vertrauen und dem Mut, rechtliche und soziale Unsicherheiten auf sich zu nehmen. In der Regel wird seitens der LBTIQ*-Personen/Paaren auf die Einforderung von Unterhaltszahlungen verzichtet, seitens der samenspendenden Person dafür auf Vaterrechte [1]. Solche Übereinkommen können mithilfe einer spezialisierten Anwältin_eines spezialisierten Anwaltes als Willensäusserung aller Beteiligten schriftlich vereinbart werden; im Streitfall sind diese jedoch heute juristisch kaum durchsetzbar. Auch mit Öffnung der Ehe für Alle seit 1.1.2022 ist es noch immer nötig, für ein Kind, das mittels privater Samenspende oder dank einer Samenspende im Ausland gezeugt wurde, ein Stiefkindadoptionsverfahren zu durchlaufen.

[1] Resp. Mutterrechte (bei samenspendenden Transfrauen) oder Rechte als samenspendende Person (bei nicht-binären Menschen).

FamiliengründungGemäss einer Umfrage des Dachverbands Regenbogenfamilien von 2017 konnten insgesamt 50% (33% durch Yes- oder No-Spende im Ausland, 17% durch private Spende) der weiblichen Teilnehmenden ihren Kinderwunsch mittels Samenspende realisieren. Von den Teilnehmenden, die noch keine Kinder haben, würden insgesamt 40% (16% Yes-Spende, 12% No-Spende, 12% private Spende) ihren Kinderwunsch mittels Samenspende umsetzen.

TIPPS FÜR SAMENSPENDE

·       Sich einig werden, wie die zukünftige Familie aussehen soll

·       Welche_r Partner_in soll als erste_r schwanger werden, und warum?

·       Welche Rolle soll die samenspendende Person einnehmen?

·       Sollen schriftliche Vereinbarungen mit allen Beteiligten getroffen werden?

Literaturempfehlungen:

·       Gerlach, Stephanie. (2010). Regenbogenfamilien. Ein Handbuch (3. Auflage). Berlin: Querverlag.

·       Thorn, Petra & Herrmann-Green, Lisa. (2009). Die Geschichte unserer Familie. Ein Buch für lesbische Familien mit Wunschkindern durch Samenspende. Siehe www.famart.de

·       Thorn, Petra & Herrmann-Green, Lisa. (2010). Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern. Interdisziplinäre Beiträge zu einer neuen Lebensform.

Filme:

·       The Kids Are All Right (2010)

·       The Fosters (2013 – heute)

Quellen:

Arbeitskreis Donogene Insemination. (n.d.). Diverse Texte und Dokumente. Abgerufen von www.donogene-insemination.de

Funcke, Dorett & Thorn, Petra (Hrsg.). (11.2010). Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern. Interdisziplinäre Beiträge zu einer neuen Lebensform. Bielefeld: transcript Verlag

Gerlach, Stephanie. (2010). Regenbogenfamilien. Ein Handbuch (3. Auflage). Berlin: Querverlag

Queer Baby. (n.d.). Samenspende [Website]. Abgerufen von http://www.queer-baby.info/homosexuelle-paare-rechte/samenspende

Regenbogenfamilien NRW. Insemination [Website]. Abgerufen von http://www.regenbogenfamilien-nrw.de/planen/insemination/

Pflegeelternschaft

von Tobias Kuhnert und Karin Hüberli

Pflegekinder aufzunehmen stellt für LGBTIQ*-Personen eine prüfenswerte Möglichkeit der Familiengründung dar. In der Schweiz besteht ein Bedarf an Pflegeplätzen. Die Stadt Zürich hat im Jahr 2014 mit einer breit angelegten Werbekampagne gezielt gleichgeschlechtliche Paare angesprochen (www.stadt-zuerich.ch/sd/de/index/familien_kinder_jugendliche/pflegetageseltern.html). Auch die Pflegekinder-Aktion Schweiz zeigt sich interessiert und offen gegenüber gleichgeschlechtlichen Pflegeeltern (www.pa-ch.ch). Einige Familienplatzierungsorganisationen befürworten vielfältige Pflegefamilienformen und sind auf der Suche nach geeigneten Pflegeeltern (z.B. www.sofa-ag.ch/pflegefamilien/sofa-pflegefamilie-werden).

Formen der Pflegeplatzierungen
Es gibt verschiedene Pflegeverhältnisse. Bei einem Entlastungsplatz wird ein Kind regelmässig an einzelnen Tagen – teilweise mit Übernachtung – betreut, damit eine Familie, bei der aktuell eine psychische oder soziale Belastung vorliegt, entlastet werden kann. Ein Wochenplatz ergänzt die Pflege und Erziehung der Eltern, wenn diese ihre Verantwortung nur zu einem kleinen Teil (z.B. am Wochenende) selbst übernehmen können. In einer Krisenplatzierung braucht ein Kind aufgrund einer akuten Krise kurzfristig und für einen beschränkten Zeitraum einen geeigneten familiären Rahmen. Manchmal führt das zu einer langfristigen Platzierung. Bei einem Dauerplatz hat das Kind den Lebensmittelpunkt in der Pflegefamilie, weil die Herkunftseltern die Pflege und Erziehung ihres Kindes längerfristig nicht bewältigen können, wobei das Pflegekind meistens weiterhin in unterschiedlicher Intensität Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie pflegt. Häufig wird zuerst die mildeste Möglichkeit gewählt und nur, wenn diese für das Kind zu wenig hilfreich ist, eine weitergehende Pflegschaft installiert (z.B. Start mit Entlastungsplatz, gefolgt von Wochenplatz falls sich die Situation in der Herkunftsfamilie verschlechtert und die Pflegefamilie geeignet ist, später evtl. Dauerplatz). Wenn möglich werden Geschwister gemeinsam in derselben Pflegefamilie platziert.

Grundsätzlich kann man sagen, dass je umfassender (z.B. Dauerpflege) ein Pflegeverhältnis (d.h. je belastender die Situation in der Herkunftsfamilie), desto unwahrscheinlicher eine Rückführung in die Herkunftsfamilie. Denn bevor umfassende Pflegeverhältnisse in Betracht gezogen werden, wurden mildere Lösungsversuche (z.B. sozialpädagogische Familienbegleitung) bereits unternommen, sind aber gescheitert. Eine Rückführung wird jedoch in den wenigsten Fällen per se ausgeschlossen.

Voraussetzungen und Anforderungen
Die Pflegeelternschaft wird behördlich begleitet und/oder angeordnet. Dies gewährleistet jedoch noch keine tragende fachliche Unterstützung. Die Unterstützung hängt stark von den kantonalen und kommunalen Regelungen ab. Zudem ist bei der behördlichen Arbeit zweierlei zu unterscheiden: Pflegeaufsichtsstellen sind für die Bewilligungen sowie Überprüfung der Pflegefamilien zuständig. Bei einer Beistandschaft liegt der Fokus auf dem Mandat für das Pflegekind.

Die Anforderungen an eine Pflegefamilie hängen immer von den individuellen Entwicklungsbedürfnissen und der Herkunftsgeschichte des Kindes ab. Es wird also stets eine für das Kind passende Pflegefamilie und entsprechender Pflegeumfang (Entlastungs-, Wochen-, Dauerpflege) gesucht – nicht umgekehrt. Pflegeeltern müssen bereit sein, zum Kind eine tragfähige Beziehung aufzubauen und feinfühlig auf die besonderen Lebensumstände einzugehen. Wie bei einer Adoption bestehen auch bei einer Pflegschaft erhöhte pädagogische Anforderungen an die Pflegeeltern, da fast alle Pflegekinder und viele Adoptivkinder aufgrund einer belasteten Lebensgeschichte einen hohen Förderbedarf und besondere Bedürfnisse haben.

Da eine Pflegeelternschaft bewilligungspflichtig ist, wird anhand von Gesprächen und vorzulegenden Dokumenten (Strafregisterauszug etc.) eine Eignungsprüfung vorgenommen. Wichtige Faktoren bei der Eignungsabklärung sind der Umgang mit belastenden Situationen, das soziale Netzwerk sowie die Bereitschaft, sich begleiten zu lassen und Hilfe anzufordern. Zudem werden die zeitlichen Ressourcen und räumlichen Gegebenheiten abgeklärt. Einheitliche Standards zur Abklärung von Pflegefamilien gibt es in der Schweiz jedoch nicht. Je nach Region sind die Abklärungen unterschiedlich geregelt und abhängig von der zuständigen Person. Für die Pflegeplatzbewilligung wenden sich interessierte Pflegeeltern an die Gemeinde-/Stadtverwaltung ihres Wohnortes. Diese wird sie an die für die Abklärung zuständige Stelle weiterverweisen – meist ein Sozialdienst, eine öffentliche Jugend- und Familienberatung oder eine kantonale Aufsichtsstelle. Weil die Vermittlung von Pflegeverhältnissen kommunal oder regional und in den wenigsten Fällen kantonal organisiert ist, kann es lange dauern, bis ein Kind bei einer Pflegefamilie platziert wird.

Es besteht die Möglichkeit, sich bei einer Familienplatzierungsorganisation (FPO) als Pflegeeltern zu bewerben. Diese führen mit möglichen Pflegeeltern eine Eignungsabklärung durch und nehmen Pflegeeltern in ihrer Kartei auf. Kommt es zu einer Platzierung, stehen die Pflegeeltern in einem Arbeitsverhältnis zur FPO. Eine kantonale Bewilligung ist dennoch notwendig. FPO prüfen bei einer Platzierungsanfrage verschiedene Pflegefamilien auf deren Passung zum Pflegekind und begleiten die Platzierung über die gesamte Dauer. Das Gelingen einer Platzierung wird durch eine enge fachliche Begleitung und Unterstützung begünstigt. Die Begleitangebote der FPO sind unterschiedlich; meistens beinhalten sie regelmässige Beratungsgespräche, Notfalltelefon, Koordination mit der Beistandschaft, Intervisionen, Weiterbildungen und Vernetzung mit anderen Pflegeeltern. Insbesondere auch in der Zusammenarbeit mit Herkunftsfamilien wird eine Unterstützung durch die FPO gewährleistet, was für das Kind tendenziell den Loyalitätskonflikt zwischen Pflegeeltern und Herkunftseltern vermindert. Ein Merkblatt von Integras (Fachverband für Sozial- und Sonderpädagogik) hilft bei der Auswahl einer geeigneten Familienplatzierungsorganisation: www.integras.ch/images/_pdf/themenmenu/sozial_sonderpaedagogik/familienplatzierungsorganisationen/2012_Merkblatt_WahlFPO_fuerPflegefamilien.pdf

Im Gespräch mit der zuweisenden Pflegekinderstelle oder FPO können die individuellen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Familie besprochen und berücksichtigt werden. Dies hat Vorteile sowohl für die Pflegeeltern (Berufstätigkeit und Verantwortungsumfang können individuell abgebildet werden) wie auch für die Pflegekinder (vielfältige Pflegefamilien können vielfältige Bedürfnisse auffangen). Motive, Erwartungen und Befürchtungen, sowohl der Pflegeeltern wie auch der Herkunftseltern, können besprochen und transparente Lösungen gesucht werden. Auch Ängste und Erwartungen des Kindes müssen stets berücksichtigt werden.

Im Kontakt mit der vermittelnden Stelle sollten LGBTIQ*-Pflegeeltern selbstbewusst auftreten und davon ausgehen, dass Mitarbeitende, die verhalten reagieren, dies nicht tun, weil sie Vorbehalte gegenüber LGBTIQ*-Menschen haben. Viele sind einfach nicht mit Regenbogenfamilien oder LGBTIQ*-Lebensrealitäten vertraut und daher unsicher. Wichtig ist es also, sie zu informieren und für sich zu gewinnen. Bei Unsicherheit oder in schwierigen Situationen hilft der Dachverband Regenbogenfamilien gerne weiter. Es kann ausserdem hilfreich sein, auf den Sprachgebrauch zu achten. Begriffe wie «homosexuelles Paar», «schwul» oder «lesbisch» rücken das Thema «Sexualität» unmittelbar in den Blickpunkt des Gegenübers – und damit tun sich viele immer noch schwer. Wenn sich interessierte LGBTIQ*-Pflegeeltern als Frauen- oder Männerpaar präsentieren, machen sie es dem Gegenüber leichter. Frauen- oder Männerpaare, die mit Kindern leben, sie erziehen und Verantwortung übernehmen möchten – dagegen kann es keine Einwände geben.

Alle Mitglieder der Pflegefamilie (also allenfalls auch bereits in der Familie lebende Kinder) müssen mit der Aufnahme eines Pflegekindes einverstanden sein. Pflegeeltern sollten sich ausserdem bewusst sein, dass sie unter Umständen ein Kind aufnehmen, dessen Verhaltensweisen und Gewohnheiten von den eigenen abweichen. Sie sollten anerkennen, dass Pflegekinder Beziehungen zu ihren Herkunftseltern und ein Recht auf Umgang mit ihrer Herkunftsfamilie haben. Hierbei sollten sie bedenken und nachvollziehen können, dass die Trennung von den leiblichen Eltern immer eine Herausforderung ist. Gesprächsbereitschaft, Toleranz und Einfühlungsvermögen im Kontakt mit den Herkunftseltern des Kindes sind ebenfalls wichtige Voraussetzungen. Im Interesse des Kindes sind Pflegeeltern je nach konkreter Situation nämlich zu mehr oder weniger enger Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie verpflichtet.

Emotionale Aspekte
Pflegekinder haben häufig frühkindliche oder gar vorgeburtliche Stresserfahrungen, Deprivationen (Verwahrlosung, Gewalterfahrungen etc.) und Beziehungsinstabilitäten oder ‑abbrüche erlebt. Emotional verletzte Pflegekinder erfüllen mit ihrem Verhalten, den kognitiven und sozialen Kompetenzen nicht unbedingt die Vorstellungen, welche sich Menschen mit einem Kinderwunsch von ihrem Familienleben machen. Dies kann einerseits dazu führen, dass die Pflegekinder Gefühle des Unvermögens, und die Pflegeeltern schmerzliche Enttäuschungen eines unerfüllten Kinderwunsches empfinden.

Weiter ist es für ein Pflegekind förderlich, wenn die Pflegeeltern den Herkunftseltern gegenüber eine wertschätzende Haltung einnehmen und ihnen einen Platz im Leben der Kinder ermöglichen. Gelingt es den Pflegeeltern, destruktives oder unverständliches Verhalten der Herkunftseltern mit wiederholender, aktiver Reflexion zu verstehen und positive Aspekte darin zu erkennen, ermöglichen sie dem Pflegekind wiederum, für sich einen Umgang mit den Besonderheiten seiner Herkunftseltern zu finden. Pflegeeltern ersetzen die Eltern nicht, sondern übernehmen einen Teil der elterlichen Aufgaben. Insbesondere bei einem starken Kinderwunsch sind diese emotionalen Herausforderungen von zukünftigen Pflegeeltern vorgängig sorgfältig zu bedenken und abzuwägen. Es braucht eine bewusste Entscheidung für die Betreuung eines Pflegekindes und eine Bereitschaft, sich notwendige Zusatzkompetenzen anzueignen.

Für die Herkunftseltern ist die Trennung von ihren Kindern ein leidvoller, von Scham und Schuldgefühlen geprägter Prozess. Diesem Umstand ist viel Gewicht beizumessen, und nach Möglichkeit sollen sie bei der Auswahl einer geeigneten Pflegefamilie einbezogen werden. Nicht alle Herkunftsfamilien heissen es indes gut, ihr Kind von LGBTIQ*-Personen betreuen zu lassen. Häufig fehlt ihnen der Bezug oder das Wissen dazu. Einigen gelingt es mit Unterstützung der platzierenden Behörde oder Fachstelle, einen Zugang zu einer LGBTIQ*-Pflegefamilienform zu finden. Andere sehen darin durchaus positive Aspekte für ihr Kind. Grundsätzlich gilt, dass eine Einwilligung der Herkunftseltern für eine bestimmte Pflegefamilie das Gelingen einer Platzierung verbessert.

Rechtliche Rahmenbedingungen
Während ein Adoptivkind formal und gesetzlich alleiniges Kind seiner neuen Eltern wird, bleibt das Pflegekind formal und gesetzlich alleiniges Kind seiner leiblichen Eltern bzw. der Personen mit der elterlichen Sorge. So hat ein Pflegekind zwei Familien: die neue soziale (Pflege-)Familie und seine rechtliche Herkunftsfamilie. In der Alltagssorge sind die Pflegeeltern jedoch entscheidungsbefugt und übernehmen somit für kleine, alltägliche Entscheidungen die elterliche Sorge (Art. 300 Abs. 1 ZGB). Allerdings zeigt sich in der Realität häufig, dass der Einbezug der Herkunftseltern auch in solchen Fällen für die Kooperation zieldienlich ist. Fühlen sich Herkunftseltern aus dem Leben ihres Kindes zu grossen Teilen ausgeschlossen, kann dies dazu führen, dass sie die Platzierung ablehnen und dem Kind keine innere Zustimmung für das Leben in der Pflegefamilie geben können, was sich wiederum negativ auf die Zufriedenheit und Entwicklungsmöglichkeiten des Pflegekindes auswirkt.

Für wichtige Entscheidungen (medizinische/therapeutische Massnahmen, Ausbildung, Auslandferien etc.) sind die Herkunftseltern zuständig; die Pflegeeltern müssen allerdings angehört werden (Art. 300 Abs. 2 ZGB). Pflegeeltern («Eltern ohne elterliche Sorge») haben laut Art. 275a ZGB Anspruch auf Auskunft über das Kind. Kommt es zu einer Einschränkung oder zum Entzug der elterlichen Sorge, werden die Entscheidungskompetenzen durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) auf eine Beistand- oder Vormundschaft übertragen (Art. 308 und 311 ZGB).

Pflegeeltern haben Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für die Betreuung sowie Kost und Logis der Pflegekinder. Die Rahmenbedingungen der Pflegeplatzierung werden in einer Vereinbarung festgehalten bzw. durch ein Familiengericht oder die KESB beschlossen. So werden die Perspektivenklärung (Rückkehr in die Herkunftsfamilie oder Verbleib bei der Pflegefamilie) und die Dauer des Pflegeverhältnisses transparent gemacht, Zielsetzungen (Bedürfnisse des Kindes) sowie eine aktive Hilfeplanung festgehalten, Rechte und Pflichten wie auch der Kontakt mit der Herkunftsfamilie geklärt.

Gemäss einer Umfrage des Dachverbands Regenbogenfamilien von 2017 hat keine_r der Teilnehmenden eine Pflegeelternschaft übernommen. Von den Teilnehmenden, die noch keine Kinder haben, würden insgesamt 8% eine Pflegeelternschaft eingehen.

Literaturempfehlung:
Nicolaisen, Jasper. (2017). Ein schönes Kleid. Roman, 240 Seiten, Berlin: Querverlag, ISBN 978-3-89656-247-0
de la Camp, Cordula. (2001). Zwei Pflegemütter für Bianca. Interviews mit lesbischen und schwulen Pflegeeltern. Hamburg: Lit Verlag
Hoffmann, M., Asquith, R. (2010). Du gehörst dazu. Das grosse Buch der Familien. Mannheim: Sauerländer.
Maxeiner, A., Kuhl, A. (2010). Alles Familie! Leipzig: Klett Kinderbuch.

Video:
Videos eines Männerpaares mit einem Pflegekind: https://www.youtube.com/watch?v=DZvgO2XDLxo

Quellen:
Integras. (2012). Merkblatt für Pflegefamilien. Abgerufen von www.integras.ch/images/_pdf/themenmenu/sozial_sonderpaedagogik/familienplatzierungsorganisationen/2012_Merkblatt_WahlFPO_fuerPflegefamilien.pdf
Jansen, E., Bruns, M., Greib, A. & Herbertz-Floßdorf, M. (2014). Regenbogenfamilien – Alltäglich und doch anders. Beratungsführer für lesbische Mütter, schwule Väter und familienbezogene Fachkräfte (2. komplett überarbeitete Auflage). Familien- und Sozialverein des LSVD (Hrsg.). Köln: LSVD. Abgerufen von https://www.lsvd.de/lebensformen/lsvd-familienseiten/beratungsfuehrer-regenbogenfamilien.html
Fachstelle Pflegekinder, Sozialdepartement Stadt Zürich. (05.2013). Merkblatt. Integrationsprozess in die Pflegefamilie (Wochen- und Dauerpflege). Abgerufen von www.stadt-zuerich.ch/sd/de/index/familien_kinder_jugendliche/pflegetageseltern/dauerplatz.html
PACH Pflege- und Adoptivkinder Schweiz. (n.d.). Häufig gestellte Fragen [Website]. Abgerufen von www.pa-ch.ch/fuer-pflegekinder-und-eltern/fuer-leibliche-eltern/haeufig-gestellte-fragen
Sofa – Soziale Fachdienstleistungen. (n.d.). Sofa-Pflegefamilie werden (inkl. Unterseiten) [Website]. www.sofa-ag.ch/pflegefamilien/sofa-pflegefamilie-werden
Wiemann, Irmela. (2014). Adoptiv- und Pflegekindern ein Zuhause geben. Informationen und Hilfen für Familien. Köln: Balance Ratgeber
Wiemann, Irmela. (n.d.). Diverse Texte und Unterlagen [Website]. Abgerufen von www.irmelawiemann.de

Transelternschaft

von Hannes Rudolph, Transgender Network Switzerland

Trans Menschen können, wie cis Menschen auch, auf unterschiedliche Art Eltern werden. Sie können schon Kinder haben, wenn sie sich outen. Sie können aber auch eine transition machen und erst danach eine Familie gründen, sei es mit biologisch eigenen Kindern, Adoptiv- oder Pflegekindern oder durch Samenspende. Die Themen Adoption, Samenspende, Leihmutterschaft und Pflegekinder werden an anderer Stelle in diesem Ratgeber verhandelt, daher geht es im Folgenden um eine Möglichkeit, die nur einigen Paaren mit einem_einer trans Partner_in offensteht: Die zeugende Frau oder nicht-binäre Person und der schwangere Mann oder nicht-binäre Mensch.

Immer häufiger entscheiden sich trans Personen, die biologischen Möglichkeiten ihres Körpers zu nutzen und leibliche Kinder zu bekommen. Einzige Voraussetzung sind intakte Fortpflanzungsorgane. In einer gleichgeschlechtlichen Zweierbeziehung einer trans Person mit einer cis Person ist das einfacher, ebenso für zwei trans Personen, bei denen eine bei der Geburt dem männlichen und eine dem weiblichen Geschlecht zugewiesen wurde. Personen, die nicht-binär sind, können natürlich ebenfalls leibliche Eltern werden.

Solange eine der beteiligten Personen mit Uterus und Eierstöcken und eine Person mit Samenzellen an der Zeugung beteiligt sind, spielt es keine Rolle, welchen Geschlechts sie sind. Lediglich sozial ist das Elternwerden für trans Personen in diesen Konstellationen zuweilen kurios, anstrengend und vielleicht auch beängstigend.

Viele Menschen sind nicht darauf vorbereitet, dass nicht nur cis Frauen schwanger werden und nicht nur cis Männer Kinder zeugen können. Kinder austragen wird als etwas angesehen, das cis Frauen vorbehalten ist, Kinder zeugen als etwas, das nur cis Männer können. Trans Personen, die biologische Eltern werden, erleben daher oft, dass ihre Geschlechtsidentität in Frage gestellt wird. Dabei gäbe es durchaus auch cis Männer, die gern schwanger werden würden, und cis Frauen, die gern darauf verzichten würden.

Um die Fragen und Irritationen des Umfelds zu reduzieren oder einen Umgang damit zu finden, haben sich einige Strategien bewährt:

  1. Dein unterstützendes Fach-Netzwerk: Suche Personen, die dein oder euer Elternwerden begleiten, die dein Geschlecht akzeptieren und dich unterstützen (Gynäkologe_Gynäkologin, Hebamme, Kinderärztin_Kinderarzt etc.).
  2. Dein unterstützendes Freundes_Freundinnen-Netzwerk: Bringe deinen Freund_innen bei, dass du ein Kind haben wirst, und erkläre ihnen wenn nötig, dass das nicht bedeutet, dass du nicht mehr trans bist. Mach ihnen klar, wie wichtig es gerade jetzt ist, dass sie dich als Papa, Mama oder Elter unterstützen – dass deine Selbstbezeichnung gilt, auch wenn biologische Assoziationen vielleicht andere Bezeichnungen suggerieren.
  3. Coming-out: Falls du nicht damit leben willst, dass du deinem Kind gegenüber geschlechtlich falsch zugeordnet wirst, solltest du im Vorfeld allen relevanten Personen klarmachen, wie du als Elter bezeichnet werden möchtest.
  4. Umgang mit Unwissenheit: Sei dir bewusst, dass viele Menschen komplett ahnungslos und überrascht auf schwangere Väter, zeugende Mütter und die Existenz von nicht-binären Eltern reagieren. Das sollte nicht so sein. Versuch es mit Humor und Nachsicht zu nehmen und die Leute dort abzuholen, wo sie stehen.
  5. Kein schlechtes Gewissen: Es lässt sich nicht wegreden, dass das Elternwerden und das Elternsein anstrengend ist. Versuch nicht so zu tun, als sei alles immer einfach. Es ist völlig in Ordnung, mal niemanden sehen oder nicht vor die Tür gehen zu wollen. Nimm jede Unterstützung, die du bekommen kannst.

Kommunikationsstrategien

Es ist kinderleicht, Kindern trans zu erklären. Hier sind Formulierungsvorschläge für häufige Fragen und Situationen:

Was ist trans? «Bei der Geburt sagen die Erwachsenen, ob jemand ein Mädchen oder ein Junge ist. Die Kinder mit Penis werden als Jungen einsortiert, die mit Vulva als Mädchen. Manchmal stimmt das aber nicht. Dann bemerken die Personen irgendwann, dass das Geschlecht nicht passt.»

Deine Familienform existiert. Du musst sie nicht rechtfertigen. Kinder dürfen lernen, dass es sie gibt: «Warum hat Lara zwei Mamas?» – «Weil das bei manchen Kindern so ist. Manche haben auch zwei Papas oder nur einen Elternteil oder mehr als zwei Eltern. Wie ist denn deine Familie?»

Falls ein Papa sein Kind ausgetragen hat: «Wie können zwei Papas ein Kind haben?» – «Manche Papas können Kinder im Bauch haben. Lara war bei ihrem einen Papa im Bauch, der Samen kam vom anderen Papa. Viele Leute wissen nicht, dass es das gibt.»

Für eine Mama, die ihr Kind gezeugt hat: «Wie kann eine Mama einen Penis und Samen haben?» – «Es gibt Frauen, die kommen mit einem Körper zur Welt, wie ihn die meisten Jungen haben – also mit einem Penis statt einer Vagina.»

Für stillende Väter: «Wieso trinkt Lara an Papas Brust?» – «Manche Papas haben eben auch Milch in der Brust, dann geht das.» (Eine gute Alternative zum Wort «Muttermilch» ist «Brustmilch».)

Falls du nicht-binär bist: «Bist du Laras Mama oder Papa?» – «Keins von beiden.» oder «Lara nennt mich …»

Jede Situation ist anders. Wahrscheinlich findest du mit der Zeit die besten Antworten. Auch Nicht-Antworten sind in Ordnung, vor allem gegenüber Erwachsenen. «Ach, das ist eine lange, komplizierte Geschichte.» ist ein guter Joker.

Das Coming-out oder «Wie sage ich es meinem Kind?»

Wenn Eltern ihr Transsein erst offenbaren, wenn sie bereits Kinder haben, bringt das einige Herausforderungen mit sich. Für die Kinder ist das Coming-out eines Elternteils oft überraschend: Papa erklärt, eine Frau zu sein, Mama stellt klar, ein Mann zu sein oder ein Elternteil outet sich als nicht-binäre Person.

Die Reaktionen von Kindern auf ein Coming-out sind sehr verschieden. Kleine Kinder haben meist weniger Probleme damit als Jugendliche. Aber egal, in welchem Alter Kinder sind: Sie haben viele Fragen, auf die sie eine ehrliche, altersgerechte Antwort bekommen sollten. Und sie brauchen die Sicherheit, dass sie den Elternteil nicht verlieren werden.

Manche trans Menschen fragen sich, ob sie nicht den Kindern zuliebe besser auf das Coming-out und die Transition verzichten. Das muss nicht sein. Kinder merken es, wenn ihre Eltern nicht glücklich sind, so auch wenn Mama oder Papa gezwungen ist, eine unpassende Geschlechterrolle zu leben. Kindern mitzugeben, dass Vielfalt zum Leben gehört und dass es sich lohnt, zu sich selbst zu stehen, bereichert und stärkt sie.

Die Erfahrung zeigt, dass aktive Aufklärung, z. B. in der Schule oder im Sportverein der Kinder, dazu beiträgt, Getuschel oder gar Mobbing gegenüber dem Kind zu verhindern. Dennoch ist es eine schwierige Entscheidung, wie man sich als Eltern verhalten will. Allenfalls hilft die Unterstützung durch andere trans Eltern oder eine Fachperson.

Literatur:

Spahn, Annika (2022). Trans Schwangerschaft: https://gwi-boell.de/de/2022/01/17/trans-schwangerschaft

Schmitz, K. & Schmitz, C.. (2013). Wie Lotta geboren wurde. Darmstadt, Atelier 9 3/4.

Eizellenspende

von Nuray Erler, Tobias Kuhnert, Martina von Känel und Martin della Valle

Die Eizellenspende ist in der Schweiz gemäss geltendem Recht verboten (Art. 4 Fortpflanzungsmedizingesetz FMedG). Es laufen Bestrebungen im Parlament, die Eizellenspende für Ehepaare, bei welchen der Unfruchtbarkeitsgrund bei der Frau liegt, zu ermöglichen. Auch die Mehrheit der Nationalen Ethikkommission (NEK) ist der Ansicht, dass das Verbot der Eizellenspende in Anbetracht der Zulässigkeit der Samenspende diskriminierend sei und sich auf eine fragwürdige naturalistische Rechtfertigung stütze. Selbst bei einer raschen Behandlung der Motion im Parlament und Gesetzesvorlage durch den Bundesrat dürften wohl noch Jahre vergehen, bis in der Schweiz legal ein Baby mit einer gespendeten Eizelle gezeugt werden dürfte.

Aufgrund des Verbots der Eizellenspende in der Schweiz begeben sich viele Paare (überwiegend gegengeschlechtliche Paare) zur Erfüllung ihres Kinderwunsches ins Ausland. Die Umgehung des schweizerischen Verbots im Ausland hat keine strafrechtlichen Konsequenzen, aber es ist trotzdem empfehlenswert, sich vorab über die Risiken des Verfahrens wie auch die finanziellen und rechtlichen Aspekte zu informieren.

Bei einer Eizellenspende wird eine von einer ersten Person gespendete Eizelle mit dem Samen der samenspendenden Person befruchtet und der resultierende Embryo anschliessend in die Gebärmutter einer anderen Person übertragen. Menstruationszyklen müssen übereinstimmen, damit die Eizellenspende durchgeführt werden kann.

Eine Eizelle enthält die genetische Information der abgebenden Person, so wie ein Spermium die genetische Information der spendenden Person enthält. Für die Entwicklung und den Immunschutz wird der Embryo während der Schwangerschaft mit wichtigen Nährstoffen der austragenden Person versorgt.

Da Unfruchtbarkeit auch LBIQ*-Frauen und Transmenschen betreffen kann, ist eine Eizellenspende eine mögliche Variante zur Familiengründung. Es gibt LBIQ*-Frauen und Transmenschen, die dank der Eizellenspende ihrer Partnerin/ihres Transpartners ein Kind austragen. Bei der Entscheidung für eine Eizellenspende ist es wichtig, sich über den medizinischen Ablauf im Detail zu informieren.

Eizellenspendende werden von den meisten Kliniken medizinisch, also psychologisch und physiologisch untersucht. Sowohl die eizellenspendende Person als auch die annehmende Person sollten sich über die medizinischen Risiken informieren. Die eizellenspendende Person unterzieht sich vor der Entnahme einer hormonellen Behandlung, respektive einer Stimulation der Eierstöcke zur Produktion der Eizellen. Die annehmende Person erhält eine hormonelle Behandlung zur Vorbereitung der Gebärmutterschleimhaut, damit der Embryo aufgenommen werden kann.

Bei der spendenden Person sowie bei der annehmenden Person sind die Auswirkungen der hormonellen Behandlungen weder physisch noch psychisch zu unterschätzen. Die Eizellenspende wird mittels eines operativen Eingriffs durchgeführt, ebenso das Einsetzen der befruchteten Eizelle. Wird mehr als eine befruchtete Eizelle übertragen, kann dies zu Mehrlingsschwangerschaften führen, was für den austragenden Elternteil und die Kinder sowohl während der Schwangerschaft wie auch bei der Geburt ein erhöhtes Risiko birgt. Viele Länder haben gesetzliche Vorgaben, wie viele Embryonen implantiert werden dürfen.

In Belgien, Holland, Frankreich, Grossbritannien, Spanien und den USA besteht die Möglichkeit einer Eizellenspende.

Niemand der Teilnehmenden an der Umfrage des Dachverbands Regenbogenfamilien hat angegeben, eine Eizellenspende durchgeführt zu haben. Ebenso wenig wird eine solche geplant.

TIPPS FÜR DIE EIZELLENSPENDE

  • Vom ausgewählten Institut/Spital ausführliche Beratung über medizinischen Ablauf, Vor- und Nachteile anfordern
  • Informationen über die eizellenspendende Person einfordern
  • Physische und psychische Gesundheit bedenken und abklären
  • Kenntnis der Landessprache des Landes, in dem die Eizellenspende durchgeführt wird, ist von Vorteil

Literaturempfehlungen:
Funcke, Dorett & Thorn, Petra (Hrsg.). (11.2010). Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern. Interdisziplinäre Beiträge zu einer neuen Lebensform. Bielefeld: transcript Verlag

Quellen:
Büchl, Christine. (2011). Eizellspende: Überblick Europa [Website]. Abgerufen von www.eizellspende.com.de/laender/Ueberblick-Europa.htm
Familienplanung.de. (24.03.2014). Die Eizellenspende [Website]. Abgerufen von www.familienplanung.de/kinderwunsch/behandlung-im-ausland/eizellspende
Hochl, Karin. (2014). Faktenblatt. Fortpflanzungsmedizin in der Schweiz. Abgerufen von www.regenbogenfamilien.ch/fakten
Thorn, Petra. (2008). Expertise. Reproduktives Reisen. Frankfurt/Main: pro familia. Abgerufen von www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/Fachpublikationen/expertise_reproduktives_reisen.pdf

Leihmutterschaft

von Tobias Kuhnert, Nuray Erler, Martina von Känel, Martin della Valle und Álvaro Catalá

«Die Leihmutterschaft ist ein vielschichtiges, komplexes Verhältnis. Insbesondere in emotionaler Hinsicht stellt sie für alle Beteiligten ein höchst ambitioniertes Projekt dar. Sie gänzlich zu verbieten, wird dieser Komplexität nicht gerecht. Ein moralisches Urteil über das Verhalten von Wunscheltern und Leihmüttern zu fällen, ist anmassend. Hingegen scheint es notwendig, über einen gesellschaftlichen Konsens nachzudenken.»

Andrea Büchler und Barbara Bleisch, NZZ, 10.04.2014

Unter dem Begriff «Leihmutterschaft» wird der Prozess verstanden, bei dem eine Cisfrau oder Transmann ein oder mehrere Kinder für die Wunscheltern austrägt und sie ihnen nach der Geburt überlässt.

Bei den Wunscheltern kann es sich auch um einzelne Personen handeln. Auch wenn ein grosser Anteil der Leihmutterschaften von gegengeschlechtlichen (heterosexuellen) Paaren in Anspruch genommen wird, ist sie unter LGBTIQ*-Eltern ein grosses Thema, insbesondere für schwule/bisexuelle Väter, trans* sowie intersexuelle Eltern, die selbst kein Kind austragen können.

Bei einer Leihmutterschaft wird in der Regel die Schwangerschaft durch die Einpflanzung einer oder mehrerer künstlich befruchteter Eizellen eingeleitet. Sowohl die Eizellen als auch das Sperma können von den Wunscheltern oder einer anderen Person (Spender:in) stammen. Für die Anerkennung des Kindesverhältnisses bei den Schweizer Behörden ist es jedoch aktuell wichtig, dass mindestens ein Elternteil mit dem Kind genetisch verwandt ist.

Bei einer Leihmutterschaft sind also mehrere Personen involviert:

  • die austragende Person (auch als Leihmutter bekannt),
  • eine eizellenspendende Person, die ein Wunschelternteil sein kann oder durch die Wunscheltern ausgewählt wird. Sie ist in aller Regel nicht die austragende Person selbst.
  • eine samenspendende Person, die in der Regel ein Wunschelternteil ist,
  • und die Wunscheltern (sei es ein Paar oder eine einzelne Person).

Abgesehen von den oben aufgelisteten Hauptpersonen sind in der Regel weitere folgende Instanzen involviert:

  • Agentur zur Vermittlung einer Eizellenspenderin sowie zur Begleitung der Eizellenspende (unter Umständen kann die Eizellenspende auch unter Beizug einer spezialisierten Eizellenbank stattfinden),
  • Agentur zur Vermittlung einer austragenden Person und zur Begleitung der Leihmutterschaft (kann dieselbe Agentur wie oben sein, muss aber nicht),
  • neuerdings möglich: Partnerspital in der Schweiz, um die Samenspende durchzuführen,
  • Fertilisationsklinik, wo die Eizellenentnahme, die Befruchtung und die Einpflanzung der befruchteten Eizellen in die Gebärmutter der austragenden Person stattfinden,
  • Anwalt oder Anwältin vor Ort, welche einerseits die rechtlichen/vertraglichen Vereinbarungen zwischen allen Instanzen regelt und andererseits den Prozess der Festlegung des Kindesverhältnisses führt,
  • Behörden im Land der Leihmutterschaft, welche für die Ausstellung der Geburtsurkunde sowie möglicherweise des Reisepasses für das Kind zuständig sind,
  • Behörden am Wohnort der Wunscheltern, welche für die (Wohnsitz-)Registrierung des Kindes zuständig sind.
  • Behörden des Heimatlandes der Wunscheltern, welche für die Anerkennung des Kindesverhältnisses sowie für die Eintragung ins Zivilstandsregister zuständig sind (evt. auch für die Ausstellung eines heimatlichen Reisepasses).

Dementsprechend ist dieser Prozess organisatorisch und administrativ aufwändig, kostenintensiv und zeitlich langwierig.

Aufgrund der Komplexität ist es von Vorteil, wenn die Wunscheltern die Sprache des Landes beherrschen, wo die Leihmutterschaft stattfindet.

Rechtliche Rahmenbedingungen in der Schweiz und in anderen Ländern

Die Leihmutterschaft ist in der Schweiz verboten (Art. 119 Abs. 2 lit. d BV, Art. 4 FMedG), wobei nur die Vermittlung und Durchführung der Strafverfolgung unterliegen; Wunscheltern und austragende Person werden nicht rechtlich belangt. In einigen Ländern ist die Leihmutterschaft erlaubt, wobei die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Höhe der Kosten sowie der Schutz aller Beteiligten sehr unterschiedlich sind. Siehe Literatur für eine ausführliche und aktualisierte Übersicht der Länder, in denen Leihmutterschaft für Schweizer LGBTIQ*-Eltern möglich ist und unter welchen Bedingungen. Es gibt Länder, wo eine Leihmutterschaft durch gleichgeschlechtliche Eltern problemlos möglich ist (z.B. einzelne Bundesstaaten der USA oder Kanada); andererseits gibt es Länder, wo eine Leihmutterschaft durch gleichgeschlechtliche Eltern nicht zugelassen ist (z.B. Ukraine). Der Dachverband Regenbogenfamilien empfiehlt, sich bei der Auswahl des Ausführungsortes ausführlich zu informieren und dabei die Schutzinteressen der unterschiedlichen Beteiligten zu berücksichtigen.

Tatsache ist, dass immer mehr (überwiegend gegengeschlechtliche) Paare mit unerfülltem Kinderwunsch aus der Schweiz eine Leihmutterschaft im Ausland in Anspruch nehmen.

In der Schweiz kann ein im Ausland mit Hilfe einer Leihmutterschaft begründetes Kindesverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt werden. Gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wie auch des Bundesgerichts (BGE 141 III 312) müssen zumindest mit dem Kind genetisch verwandte Elternteile anerkannt werden. Für ein schwules Paar beispielsweise bedeutet das, dass, wenn einer der Partner als Samenspender fungierte, die ausländische Geburtsurkunde in Bezug auf ihn anerkannt wird. Hingegen wird gemäss aktueller Rechtsprechung dem zweiten, nicht-genetischen Vater die Anerkennung verweigert. Der zweite Vater muss das Kind in einem weiteren Schritt adoptieren (Stiefkindadoption). Bis zur Stiefkindadoption bleibt die zweite Elternposition leer. Auch die austragende Person wird nicht als rechtliche Mutter in das schweizerische Zivilstandsregister eingetragen, sofern ein Gerichtsurteil und eine rechtmässige (nachgeburtliche) Verzichtserklärung von ihr vorliegen.

Wichtig zu wissen ist ausserdem, dass die (zivilstandsamtliche) Anerkennung in der Schweiz nur nötig ist, wenn einer oder beide Elternteile das Schweizer Bürgerrecht besitzen; d.h. wenn das Kind das Schweizer Bürgerrecht erhalten soll.

Die Anmeldung/Registrierung des Kindes kann in der Regel bei der Einwohnerkontrolle des Wohnsitzes mittels Geburtsurkunde, heimatlichem Reisepass und einem Familiennachzugsgesuch erfolgen.

Zur Zeit sind einige Forderungen an die Politik gestellt, um den Schutz von Kindern aus Leihmutterschaften zu verbessern. Beispielsweise soll die aktuell verlangte obligatorische “Pflegedauer” von einem Jahr vor einer Stiefkindadoption für Kinder aus einer Leihmutterschaft abgeschafft werden.

Es wird dringend empfohlen, sich über diese Themen laufend zu informieren und zu vernetzen.

Wichtige Überlegungen

Aufgrund der Komplexität einer Leihmutterschaft sowie der vulnerablen Positionen der Beteiligten, empfiehlt der Dachverband Regenbogenfamilien sich bei der Entscheidungsfindung zu einer Leihmutterschaft und dem Ausführungsort mit folgenden Punkten auseinanderzusetzen, welche in anderen Formen der Familiengründung nicht vorkommen. Der Dachverband Regenbogenfamilien unterstützt Sie gerne bei Fragen.

● Um den Schutz der Beteiligten zu gewährleisten, ist es wichtig, dass die ausgewählte Agentur/Klinik eine unabhängige Beratung und Unterstützung der Wunscheltern und der austragenden Person anbietet.

● Es ist sicherzustellen, dass die austragende Person sich umfassend über den Prozess und die Risiken informieren, eine freiwillige Entscheidung treffen und diese in einer Einwilligungserklärung (informed consent) abgeben kann.

● Die austragende Person und die Wunscheltern müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu werden auch medizinische, psychologische und andere Tests von ihnen verlangt. Es werden zum Schutz des ungeborenen Kindes auch Vorgaben zum Verhalten der austragenden Person während der Schwangerschaft gemacht (z.B. kein Drogenkonsum). Hierbei muss sichergestellt werden, dass diese Bedingungen sowohl der austragenden Person als auch den Wunscheltern gerecht werden.

● Es ist wichtig, dass die Wunscheltern und die austragende Person sich darüber Gedanken machen und vertraglich bindend festlegen, wie in Ausnahmesituationen vorzugehen ist. Beispiele dazu sind Fehlgeburt, Wunsch nach einer Abtreibung seitens austragender Person oder der Wunscheltern (z.B. bei schwerer Behinderung) oder Komplikationen bei der Schwangerschaft oder der Geburt. Hier muss sichergestellt werden, dass die austragende Person an den Entscheidungen beteiligt ist und entsprechend entschädigt wird (abgesehen von den entstandenen Gesundheitskosten).

● Das ausgetragene Kind liegt in der vollen und alleinigen Verantwortung der Wunscheltern – dies gilt unabhängig davon, in welchem Gesundheitszustand oder mit welcher Behinderung das Kind zur Welt kommt.

● Es ist ebenso vertraglich sicherzustellen, dass es für die austragende Person nicht möglich ist, das Kind nach der Geburt zu behalten.

● Leihmutterschaft kann (je nach rechtlicher und wirtschaftlicher Situation im entsprechenden Land) zur Ausbeutung von Leihmüttern oder zum Kinderhandel führen. Es liegt in der Verantwortung der Wunscheltern, die Bedingungen der Leihmutterschaft und die Wahl des Durchführungsortes mit ihren ethischen Grundsätzen zu bewerten und in Einklang zu bringen.

● Je nach Durchführungsort der Leihmutterschaft kann die Eizellenspende (und ggf. Samenspende) anonym oder offen stattfinden. Die Wunscheltern müssen sich darüber Gedanken machen, wie offen sie mit dem Kind in Bezug auf seine Entstehungsgeschichte und auf die beteiligten Personen (z.B. Eizellenspenderin und Leihmutter) umgehen wollen. Dabei ist das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zu berücksichtigen.
Es besteht häufig die Möglichkeit, dass von Anfang an das Kind und die Wunscheltern einen persönlichen Kontakt mit der austragenden Person und/oder der Eizellenspenderin pflegen und somit die Rechte des Kindes umfassend gewahrt sind.

● Eine Leihmutterschaft ist mit hohen finanziellen Aufwänden und Risiken verbunden. Nicht nur die anfallenden Kosten (Entschädigungen für austragende und eizellenspendende Personen, Agenturen, Fertilitätsklinik, Anwälte, Versicherungen, Medikamente, Reisekosten etc.) werden vollumfänglich von den Wunscheltern getragen, sondern auch die möglichen Risiken. Dazu können gesundheitliche Behandlungen des neugeborenen Kindes wie auch der Aufenthalt in einer Frühgeborenenabteilung zählen. Krankenversicherungen schliessen in der Regel die Leihmutterschaft in ihren Bedingungen aus oder sehen hohe Kostenbeteiligungen der Wunscheltern vor. Die Wunscheltern sollten sich den finanziellen Risiken bewusst sein und in ihrem Budget eine entsprechende Reserve einplanen.

Quellen:
Bertschi, Nora & König, Anika. (03.2016). Leihmutterschaft. gewünscht, geliehen, gekauft, geschenkt. Luzern: SKF Schweizerischer Katholischer Frauenbund, Abgerufen von https://www.frauenbund.ch/aktuelles/leihmutterschaft-gewuenscht-geliehen-gekauft-geschenkt-2432
Büchler, Andrea & Bleisch, Barbara. Neue Zürcher Zeitung. (10.04.2014). Gastkommentar zur Leihmutterschaft. Ein respektables Unterfangen?. Abgerufen von https://www.nzz.ch/ein-respektables-unterfangen-1.18281110
Bundesrat. (29.11.2013). Bericht zur Leihmutterschaft. Abgerufen von https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/aktuell/news/2013/2013-11-29/ber-br-d.pdf
Gerber, Paula. (15.07.2015). A Human Rights Response to Commercial Surrogacy [Video]. Abgerufen von https://www.youtube.com/watch?v=llVRHwZICr0&feature=youtu.be
Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin. (11.2013). Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung. Ethische Überlegungen und Vorschläge für die Zukunft [PDF]. Abgerufen von https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/biomed/fortpflanzungsmedizin/nek-fmedg-zukunft.pdf.download.pdf/NEK+Fortpflanzungsmedizin+De.pdf
Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte. (2015). Leihmutterschaft aus menschenrechtlicher Sicht [Website]. Abgerufen von https://skmr.ch/publikationen-dokumentationen/artikel/leihmutterschaft-aus-menschenrechtlicher-sicht
Wikipedia – Leihmutter, Abschnitt: Situation nach ausgewählten Ländern https://de.wikipedia.org/wiki/Leihmutter

Leben als Regenbogenfamilie

von Nuray Erler, Tobias Kuhnert, Martina von Känel und Martin della Valle

Regenbogenfamilien in der Schweiz leben in den verschiedensten Formen. Biologische als auch soziale Elemente sind die Grundsteine zur Gründung einer Familie. Schwule Väter mit einem Kind, ob durch Pflegschaft, Adoption oder Leihmutterschaft, sowie Lesben- und Schwulenpaare mit einem oder mehreren gemeinsam gezeugten Kindern können eine Familie (Co-Elternschaft) bilden. Ein lesbisches Frauenpaar oder Transmenschen mit Kindern aus früheren Beziehungen oder Kindern, die in die Beziehung hineingeboren werden, gehören ebenfalls zu den vielfältigen Familienformen, welche unter dem Namen Regenbogenfamilien genannt werden. Viererkonstellationen, bei denen ein lesbisches Paar mit einem schwulen Paar Kinder hat und zu viert die Elternschaft lebt. Alleinerziehende schwule Väter oder eine lesbische Mutter und die Kleinfamilie als Paar mit einem oder mehreren Kindern sind mögliche Familienformen.

Regenbogenfamilien haben wenige Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Dies erlaubt im weitesten Sinn eine Spannbreite an Möglichkeiten zur Gestaltung der Familienformen und -strukturen. Aufgrund der meist gleichgeschlechtlichen Elternteile wird den Eltern weder von den Partner_innen noch durch die Kinder eine geschlechtliche Rolle zugeschrieben, was eine grosse Freiheit bedeuten kann. Bei den Vorbereitungen und der Planung zur Gründung einer Regenbogenfamilie werden viele Aspekte wohl überlegt und abgewogen. Bei einem lesbischen Paar stellen sich oft Fragen wie: Wer soll zuerst schwanger werden? Wie wird damit umgegangen, wenn es nicht klappt? Wird eine Samenspende von einer Samenbank gewählt oder eine private Samenspende aus dem Umfeld? Soll die samenspendende Person eine Rolle in der Familie einnehmen oder nicht? Wenn ja, wie stark soll diese Rolle sein? Wird die Vaterschaft anerkannt oder nicht?

Solche Überlegungen machen sich GBTIQ* Männer ebenfalls: Welche Möglichkeiten bestehen zur Familiengründung? Ein leibliches Kind gemeinsam mit einer LBTIQ* oder heterosexuellen Frau oder einem Transmenschen? Soll ein Pflegekind aufgenommen, ein Kind adoptiert oder soll der Kinderwunsch mittels Leihmutterschaft angegangen werden?

Die Gedanken kreisen weiter um die nahe Zukunft: Funktioniert es zukünftig in der Partnerschaft? Wie wird die Arbeitsteilung aussehen? Arbeitet eine Person und hat die Aufgabe der Ernährerin_des Ernährers und der_die andere übernimmt die Kinderbetreuung und bleibt zu Hause? Wie läuft es finanziell? Wird die Kinderbetreuung aufgeteilt und beide Elternteile gehen einer bezahlten Arbeit nach? Wenn beide Elternteile erwerbstätig sind, stellt sich vielleicht die Frage einer familienergänzenden Betreuung. Weil LGBTIQ* Menschen/Paare nicht oder sehr selten per Zufall zu Eltern werden, ist die Klärung solcher Fragen im Vorfeld der Familiengründung legitim und wichtig.

Die Gründung einer Regenbogenfamilie unterliegt meist einer sehr zeitintensiven Planung, d.h. wie und welche Form gewählt wird. Ist mal entschieden, auf welche Art und Weise und wer zuerst schwanger oder biologischer Elternteil wird, stellt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt. Nach vielen Überlegungen gibt es dennoch keinen richtigen Moment zum Start einer Regenbogenfamilie. Schlussendlich ist es entweder der biologische Rhythmus oder das Bauchgefühl, um den Sprung ins kalte Wasser zu wagen.

Die Schwangerschaft ist eine tiefgreifende Veränderung im Leben eines jeden Menschen und dessen nahen Umfeld. Doch dann ist es so weit und das Baby ist unterwegs. Die Wahl einer Begleitung während der Schwangerschaft und Vorbereitung auf die Geburt fällt unterschiedlich aus. Die einen wählen eine Hausgeburt mit einer vertrauten Hebamme, andere wiederum wählen eine Geburt im Spital. Ein Vorbereitungsgespräch oder eine Besichtigung des Spitals kann bei den Vorbereitungen helfen, die Nervosität zu lindern und Sicherheit zu schaffen. Hierbei kann auch geklärt werden, wer bei der Geburt mit dabei sein soll und wer lieber nicht. Einige LGBTIQ*-Paare, die eine Insemination im Ausland in Anspruch genommen haben, gebären im Ausland, um eine Anerkennung beider Elternteile mit Geburt zu ermöglichen.

Nach der Geburt kommt für alle Beteiligten eine sehr intensive und wichtige Zeit. Der Säugling und die Eltern, insbesondere die gebärende Person, benötigen viel Nähe und Ruhe. Die Zeit der Bindung ist in den ersten Tagen eines Säuglings von grosser Bedeutung, denn in dieser Zeit entwickelt er das Urvertrauen, gut angekommen und aufgehoben zu sein. Die frisch gebackenen Eltern benötigen mit dem Säugling zu Beginn viel Zeit und Ruhe, um einander kennen zu lernen. In der Paarbeziehung kann es zu Verunsicherungen kommen, beispielsweise, wenn der biologische Elternteil zu Beginn häufiger Zeit mit dem Säugling verbringt oder ihn stillt. Das hat häufig auch mit den rechtlichen Rahmenbedingungen («Mutter-Vaterschaftsurlaub») oder gesellschaftlich geprägten, normativen Vorstellungen von Elternschaft zu tun und erfordert von den Eltern viel Offenheit, Gespräche und Selbstreflexion, um die eigenen Bedürfnisse und Interessen zu finden und zum Ausdruck zu bringen.

Den Alltag mit einem Kind zu bewältigen, beinhaltet Herausforderungen, wie zum Beispiel die Betreuung und die Arbeitsaufteilung in der Familie zu organisieren. Der eine Elternteil geht auswärts arbeiten, der andere bleibt vielleicht zu Hause. Diese Arbeitsaufteilung ist laut Forschungen aus Deutschland bei Regenbogenfamilien eher selten der Fall. Meist gehen beide Elternteile einer bezahlten Arbeit mit reduziertem Pensum nach und die Kinderbetreuung wird untereinander aufgeteilt oder das Kind wird familienergänzend betreut. Bei einer Mehrelternfamilie sind mehrere Erwachsene beteiligt und übernehmen eine Elternrolle, was eine grosse Unterstützung bei der Betreuungs- und Arbeitsaufteilung sein kann. Die vielen Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, wie Tageseltern, Kinderkrippe, Spielgruppe oder Krabbelgruppe werden wohlüberlegt gewählt. In all diesen öffentlichen Räumen begegnen Regenbogenfamilien einer Mehrheit von heterosexuellen und cis Menschen. Bei jeder ersten Begegnung kommt es zu einem Coming-out. Die Neugier gegenüber Regenbogenfamilien ist gross, insbesondere ist die Art der Familiengründung immer wieder ein interessantes Thema. Natürlich ist jedem_jeder selber überlassen, wie viel man von der Familienform erzählen möchte. Manche Menschen treten Regenbogenfamilien sehr offen gegenüber und manche haben keine Kenntnis über diese Familienform, die aufgeklärt werden dürfen.

Die erste Lebensphase eines Kindes kann intensiv sein, dies kann für die Paarbeziehung ebenfalls sehr herausfordernd sein. Betreuungen für einige Stunden durch Familienmitglieder oder Freund_innen können dabei stark entlasten.

Eine Familie zu gründen kann die Chance bieten mit der Herkunftsfamilie wieder näher zu rücken, denn ein kleines Kind kann viel Freude bringen und Konflikte relativieren. Grosseltern können gute Babysitter_innen sein, wenn das Paar wieder mal ins Kino oder alleine Abendessen gehen möchte, sofern diese geographisch nahe wohnen, die Lebensform respektieren und akzeptieren. Das soziale Umfeld spielt eine wichtige Rolle, weshalb empfohlen wird, dieses regenbogenfamilienfreundlich zu gestalten und aufzuklären. Der Austausch mit anderen Regenbogenfamilien kann für die Kinder und die Eltern von grosser Bedeutung sein. Die Kinder werden zudem in ihren innerpsychischen Prozessen unterstützt und unter Gleichgesinnten wird ihr Selbstbewusstsein und ihre Identität als Kind einer Regenbogenfamilie gestärkt.

Bücherempfehlungen:

  • Gerlach, Stephanie. (2010). Regenbogenfamilien. Ein Handbuch (3. Auflage). Berlin: Querverlag.
  • Das Regenbogenväterbuch (2020) .Ratgeber für schwule Papas (und alle, die es werden wollen)
  • Thorn, Petra & Herrmann-Green, Lisa. (2010). Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern. Interdisziplinäre Beiträge zu einer neuen Lebensform.

Filme:

  • Women Love Women (2000)
  • Rara (2016)

Quellen:

Jansen, E., Bruns, M., Greib, A. & Herbertz-Floßdorf, M.. (2014). Regenbogenfamilien – Alltäglich und doch anders. Beratungsführer für lesbische Mütter, schwule Väter und familienbezogene Fachkräfte (2. komplett überarbeitete Auflage). Familien- und Sozialverein des LSVD (Hrsg.). Köln: LSVD. Abgerufen von https://www.lsvd.de/lebensformen/lsvd-familienseiten/beratungsfuehrer-regenbogenfamilien.html

Gerlach, Stephanie. (2010). Regenbogenfamilien. Ein Handbuch (3. Auflage). Berlin: Querverlag

Dorett Funcke, Petra Thorn (Hg.). Die gleichgeschlechtliche Familie mit Kindern, Interdisziplinäre Beiträge zu einer neuen Lebensform.

von Tobias Kuhnert

Die innerfamiliären Herausforderungen als Regenbogenfamilie sind das eine. Doch spätestens mit dem Eintritt der Kinder in den Kindergarten muss sich jede Familie mit LGBTIQ+-Eltern überlegen, was und wie viel sie wem wann und auf welche Art von sich preisgibt – und wie sie mit den Reaktionen darauf umgeht, besonders im Hinblick auf das Kind.

Die meisten Kinder aus Regenbogenfamilien sind sich der Besonderheit ihrer Familienform bewusst und wissen, dass sie nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht. Sie gestalten den Informationsaustausch mit anderen Menschen bezüglich ihrer Familie daher mitunter sehr bewusst. Sie überlegen sich, wem sie wann wie viel über ihre Familie erzählen wollen und verheimlichen gelegentlich aus Angst vor Stigmatisierungen Aspekte ihrer familiären Identität. Dasselbe gilt für die Eltern.

Stigmatisierung wird im Folgenden verwendet, um negative Reaktionen auf die Familienform Regenbogenfamilie zu bezeichnet. Ein Grossteil der Stigmatisierungen findet in der Schule, hauptsächlich durch andere Kinder, aber auch durch Erwachsene wie z.B. Lehrpersonen, Schulmitarbeiter*innen oder andere Eltern statt. Wie Studien zeigen, berichtet etwas weniger als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen aus Regenbogenfamilien von Stigmatisierungserfahrungen aufgrund ihrer Familienform.

Die Formen von Stigmatisierungen sind vielfältig:

  • Unangenehmen, wiederholten Fragen zur Familienform und zu deren Entstehungsgeschichte
  • Infragestellung der Familienform, der Entstehungsgeschichte und der Beziehung zum nicht-leiblichen Elternteil
  • Offen LGBTIQ+-feindliche Äusserungen
  • Beschimpfungen, Beleidigungen
  • Auslachen oder «blöde Sprüche»
  • Ausblenden anderer als heteronormativer Lebens- und Familienformen, insbesondere im Schulunterricht
  • Besondere Bedürfnisse und Herausforderungen von Regenbogenfamilien werden von Schulmitarbeiter*innen nicht ernst genommen oder ignoriert
  • Im Unterricht und Schulalltag verweigern Schulmitarbeiter*innen die Anerkennung von Regenbogenfamilien in Bezug auf Bezeichnungen («Mami und Papi») und Verhalten (der zweite Elternteil wird resp. weitere Elternteile werden als «Begleitperson(en)» behandelt; das Muttertagegeschenk bei einer Zwei-Mütter-Familie soll mit «für Mama» statt «für Mama und Mami» angeschrieben werden oder gibt es nur ein Muttertagsgeschenk für zwei Mütter).
  • Schulmitarbeiter*innen sind bei Hänseleien und LGBTIQ+-feindlichen Äusserungen (z.B. «schwule Sau») gleichgültig und greifen nicht ein
  • Formulare und Schreiben der Schule sind heteronormativ gestaltet

Oftmals ist die Befürchtung von direkten Stigmatisierungserfahrungen grösser als deren tatsächliches Ausmass. Jedoch fördert bereits die Befürchtung von negativen Reaktionen und Stigmatisierung das Verstecken und Verheimlichen der Familienkonstellation und löst Stress aus (sog. Minderheitenstress). Aber auch erlebte negative Reaktionen aus dem Schulumfeld können Kinder mit LGBTIQ+-Eltern zu einer distanzierteren Haltung gegenüber ihren Eltern und ihrer Familienform bewegen und bewirken, dass sie diesbezüglich verschwiegener werden. Und schliesslich ist jede Stigmatisierungserfahrung – besonders in einem so zentralen Lebensbereich wie Familie – eine zu viel.

Jüngere Kinder gehen meist offener mit ihrer Familiensituation um und erleben auch weniger Stigmatisierungen als ältere Kinder und insbesondere als Jugendliche. Eine Erklärung dafür ist, dass mit zunehmendem Alter die Fähigkeit der Kinder steigt, Unterschiede festzustellen und diese (entlang gesellschaftlicher Normen) zu bewerten: Kleine Kinder sind noch weniger stark durch gesellschaftliche Normen geprägt und offener gegenüber Verschiedenheit, wohingegen die späte Kindheit und frühe Jugendzeit (Pubertät) durch Ausrichtung an Normen und dem Bedürfnis nach Abgrenzung geprägt sind. Dass die Pubertät als Zeit der sozialen Orientierung, Gruppenbildung (Peergroup) und Entwicklung der eigenen Sexualität und Identität in die Jugendzeit fällt, ist daher eine mögliche Erklärung für vermehrte Stigmatisierungserfahrungen in diesem Alter.

Tipps im Umgang mit Stigmatisierungen und Kindergarten/Schule

Es gilt zu bedenken, dass diese Tipps keine Checkliste sind, die einmal abgehakt werden kann und dann erledigt ist. Vielmehr müssen Regenbogenfamilien sich darauf einstellen, dass sie wohl leider immer wieder intervenieren und Akzeptanz einfordern müssen. Ausserdem müssen einige Tipps an die eigene Persönlichkeit und an die konkrete Situation angepasst werden.

  • Stellt euch und eure Familienkonstellation bei relevanten Schulmitarbeiter*innen sowie einem weiteren Umfeld (Nachbar*innenschaft, Eltern der Mitschüler*innen, Vereine) vor. Wie viel ihr dabei preisgeben wollt, entscheidet ihr selbst.
  • Bei diesem Erstkontakt könnt ihr den Schulmitarbeiter*innen oder dem weiteren Umfeld auch die kurze, informative Informationsbroschüre zu Regenbogenfamilien oder den Leitfaden für pädagogische Fachpersonen des Dachverbandes Regenbogenfamilien abgeben. Ihr dürft darauf bestehen, dass die Schulmitarbeiter*innen resp. das weitere Umfeld sich dort über die Grundlagen informiert – ihr müsst nicht als «wandelndes Lexikon» dienen.
  • Signalisiert Gesprächsbereitschaft. Das heisst jedoch nicht, dass ihr allen alles erzählen müsst und auf alles eingehen müsst – das bestimmt allein ihr als Familie.
  • Gebt euch nicht mit einer «neutralen» Reaktion oder dem Schweigen/nicht-Handeln von Schulmitarbeiter*innen zufrieden – in einer heteronormativen Gesellschaft reicht Neutralität nicht aus. Besprecht vielmehr mögliche Schwierigkeiten, die auftreten könnten oder die ihr befürchtet, wie beispielsweise Hänseleien oder diskriminierende Abläufe im Schulalltag. Besprecht zusammen mit eurem Kind und den Schulmitarbeiter*innen Strategien und Lösungen dafür. Platziert dabei eure Erwartungen an die Schule klar. Euer Kind hat das Recht, sich in der Schule sicher zu fühlen und dass seine Familienform berücksichtigt wird.
  • Bewertet eure eigene Familie positiv: Sprecht mit eurem Kind offen über eure Familienform. Wenn das Kind seine Familie als gleich gut und gleichwertig zu anderen Familien wahrnimmt, beispielsweise durch entsprechende Bilderbücher sowie in euren Äusserungen über eure Familie, gibt ihm das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen.
  • Ermöglicht eurem Kind den Kontakt zu anderen Kindern aus Regenbogenfamilien und zu anderen akzeptierenden Menschen. Das ist auch ein Faktor, damit es die eigene Familie positiv bewerten kann und sich nicht allein fühlt.
  • Sprecht mit eurem Kind über befürchtete Stigmatisierungserfahrungen und mögliche Strategien dagegen. Ein offenes und unterstützendes Gesprächsklima zu Hause kann dem Kind helfen, euch Stigmatisierungserfahrungen zu erzählen und sich damit Unterstützung und Trost zu holen.
  • Wo kann sich das Kind Hilfe holen, wenn ihr gerade nicht zur Stelle seid? Freund*innen oder andere Menschen, die das Kind und seine Familienkonstellation vorbehaltlos akzeptieren, können bei Hänseleien sowohl Schutz- wie auch Unterstützungsrollen einnehmen.
  • Wenn es dennoch Probleme gibt oder ihr einfach Unterstützung und Rat braucht: Holt euch Hilfe bei einer Beratungsstelle oder dem Dachverband Regenbogenfamilien.
In konkreten Situationen von Stigmatisierungen
  • Weist die verantwortliche Person (z.B. Klassenlehrperson, Schulsozialarbeiter*in, Schulleiter*in, Elternratsvorsitz) auf die Stigmatisierung hin und verlangt eine Intervention.
  • In Situationen, in denen keine Person klar in der Verantwortung ist: Wendet euch an mögliche Unterstützer*innen (z.B. befreundete Familie), weist sie auf die Stigmatisierung hin und bittet um Unterstützung.
Falls ihr selbst in der Verfassung und Lage dazu seid:
  • Geht ruhig auf stigmatisierende Kinder, Schulmitarbeiter*innen oder Eltern zu.
  • Unterbrecht die stigmatisierende Situation/Handlung und erklärt gegebenenfalls kurz und sachlich eure Familienkonstellation.
  • Äussert eure Erwartungen (z.B. Respekt, keine Beleidigungen, Gleichbehandlung).
Die Rolle der Schule

Was ihr von der Schule einfordern dürft:

  • Die Thematisierung von LGBTIQ+-Lebens- und Familienformen im Unterricht – das ist Teil des Lehrplans. Empfehlt den Schulmitarbeiter*innen die Materialbox für pädagogische Fachpersonen des Dachverbands Regenbogenfamilien sowie Klassenbesuchsprojekte wie GLL, ABQ , Comout oder queeres ah&oh (Schulbesuche von LGBT und teilweise Eltern von solchen: www.gll.ch, www.abq.ch, Comout, www.queeresahundoh.ch).
  • Wenn ihr möchtet, könnt ihr auch anbieten, selbst einen Schulbesuch zu machen und über eure Familie zu berichten. (Achtung: Hierzu muss euer Kind unbedingt sein vorbehaltloses Einverständnis geben!)
  • Die konsequente und sofortige Intervention von Schulmitarbeiter*innen bei Hänseleien.
  • Schulmitarbeiter*innen sollen Nachfragen zum Umgang mit der Familienform (wie viel Diskretion/Offenheit) und zu den gewünschten Bezeichnungen (z.B. Papi und Papa oder Mami und Mama) stellen. Schulmitarbeiter*innen dürfen nicht ignorieren, dass eine Familie mit LGBTIQ+-Eltern (noch) nicht überall akzeptiert wird, sondern mit besonderen Herausforderungen und Schwierigkeiten zu kämpfen hat – und dass Schulmitarbeiter*innen einen Beitrag dazu leisten sollen, diese zu minimieren. Dazu gehört auch, dass sie aufmerksam auf Stigmatisierungserfahrungen sein müssen.
  • Schule und Schulmitarbeiter*innen sollen aktiv stereotype Geschlechterrollen und heteronormative Familienformen zementierende Sprache, Strukturen und Abläufe (z.B. Formulare) reflektieren und anpassen. Empfehlt den Schulmitarbeiter*innen entsprechende Workshops dazu, z.B. vom Dachverband Regenbogenfamilien oder von du-bist-du, oder die Materialbox für pädagogische Fachpersonen des Dachverbands Regenbogenfamilien.

von Sarah Musio

Der Kontakt mit dem Gesundheitswesen ist für viele Menschen eine nervenaufreibende Angelegenheit, die mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden ist. Regenbogenfamilien stehen noch dazu vor der Ungewissheit, ob sie als Familie wahrgenommen und anerkannt werden. Die Angst vor Ablehnung und Stigmatisierung kann dazu führen, dass man es sich zweimal überlegt, ob man wirklich als Familie auftreten will oder nicht. Die meisten Institutionen zeigen sich jedoch prinzipiell offen gegenüber Regenbogenfamilien.

Ein offener Umgang mit der Familienkonstellation erleichtert medizinischen Fachpersonen den Zugang zum Thema. Er bietet die Chance, Vorurteile abzubauen und Neues zu lernen. Viele Fachpersonen sind offen und interessiert, mehr über das Thema Regenbogenfamilien zu erfahren.

Schwangerschaft

Regenbogenfamilien müssen sich bereits vor der Schwangerschaft mit vielen Fragen auseinandersetzen, zum Beispiel wie es zu einer Schwangerschaft kommen soll. Hat nun eine Regenbogenfamilie während der Schwangerschaft Kontakt mit dem Gesundheitswesen, kann dies zu einigen Fragen führen. Es lohnt sich, vorgängig mit dem Behandlungsteam über die Familienkonstellation zu sprechen, um die nötige Offenheit zu gewährleisten. Unangenehme oder unangebrachte Fragen zur Entstehung der Schwangerschaft müssen nicht beantwortet werden. Es steht jeder Familie zu, selbst zu entscheiden, wie viel sie preisgeben möchte. Um sich auf die Geburt vorzubereiten, können diverse Spitäler und Geburtshäuser besichtigt werden. Wichtig ist es, einen Ort zu finden, an dem man sich als Familie wohl fühlt und wo die Familienkonstellation als selbstverständlich akzeptiert wird.

Kinderarzt_ärztin

Familien mit Kindern kommen früher oder später in Kontakt mit einem Kinderarzt_einer Kinderärztin. Ein offener Umgang mit der Familienkonstellation erleichtert die Kommunikation zwischen den medizinischen Fachpersonen und den Familienmitgliedern. Für das medizinische Fachpersonal ist es sehr wichtig zu wissen, wer die Elternteile sind. Grundsätzlich hat nur ein rechtlich anerkannter Elternteil ein Auskunfts- und Entscheidungsrecht, wenn es um die Behandlung des Kindes geht. Um den nicht rechtlich anerkannten Elternteil einzubeziehen ist es wichtig, selbstbewusst als Familie aufzutreten. Vollmachten, die der rechtliche Elternteil zugunsten des anderen ausstellt, sind hierbei eine Unterstützung. Mit der Stiefkindadoption wird es für den nicht biologischen Elternteil einfacher, da dieser dann vor dem Gesetz dem anderen Elternteil gleichberechtigt ist.

Ein Arzt_Ärztinnenbesuch kann Angst machen. Es ist deshalb für das Kind von grosser Bedeutung, seine engsten Vertrauenspersonen um sich zu haben. Für viele Menschen ist es spannend, auf eine Regenbogenfamilie zu treffen, da die meisten diese Familienform nicht oder nur am Rande kennen. Mit medizinischen Fachpersonen kann dies auch eine Gelegenheit sein für einen Austausch zu den Herausforderungen, die diese Familienform mit sich bringt.

Spital

Muss ein Familienmitglied ins Spital, ist dies an sich schon sehr belastend. Bei Regenbogenfamilien kommen häufig Ängste hinzu, ob man als Partner_in oder Elternteil akzeptiert und ernstgenommen wird. Um Missverständnissen vorzubeugen lohnt es sich, von Anfang an kein Geheimnis aus der Familienkonstellation zu machen. Bei jedem Spitaleintritt wird die Frage, wer die nächsten Angehörigen sind und wer informiert werden darf, geklärt. Ausserdem wird vom Pflegepersonal eine Anamnese [1] erhoben, in der neben den medizinischen Problemen auch nach der familiären Situation gefragt wird. Dies bietet die Gelegenheit, auf diese aufmerksam zu machen. Eine Vertretungsvollmacht für den rechtlich nicht anerkannten Elternteil kann ebenfalls nützlich sein, da sie festlegt, dass er auch Entscheidungen treffen kann und darf.

Meist macht man sich zu viele Gedanken, wie medizinische Fachpersonen auf die eigene Familienkonstellation reagieren könnten. Je offener man auf das Personal zugeht, desto weniger Spekulationen und Fragen entstehen. Wenn jemand bereits negative Erfahrungen mit medizinischen Fachpersonen gemacht hat, kann dies mit ein Grund dafür sein, weshalb Sorgen und Misstrauen entstehen. In den letzten Jahren hat sich jedoch einiges zu diesem Thema geändert. LGBTIQ*-Anliegen werden immer öfters bereits in der Ausbildung von medizinischen Fachpersonen thematisiert und führen dazu, dass der Umgang immer offener wird.

Eine professionelle und respektvolle Behandlung und Betreuung steht allen Menschen, auch Regenbogenfamilien, zu. Kommt es aufgrund der Familienkonstellation zu Problemen, sollte dies nach Möglichkeit mit dem betroffenen Personal direkt angesprochen werden. Erfolgt keine Verbesserung, muss dies unbedingt an die nächsthöhere Stelle gemeldet werden. Eine ungleiche Behandlung aufgrund der sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder Familienkonstellation muss nicht hingenommen werden. Gemeinsam als Familie für die eigenen Rechte einzustehen hilft, mit schwierigen Situationen im Gesundheitswesen fertigzuwerden.

Tipps im Umgang mit dem Gesundheitswesen
  • Offenheit über die Familienkonstellation ist sehr hilfreich, um Missverständnisse zu vermeiden und als Familie aufzutreten.
  • Jede Familie darf selbst entscheiden, wem sie wie viel erzählen möchte. Auch gegenüber medizinischen Fachpersonen besteht keine Auskunftspflicht.
  • Um unangenehme Situationen zu vermeiden lohnt es sich, vorgängig abzuklären, wie offen der Arzt_die Ärztin gegenüber Regenbogenfamilien ist. Dies ist natürlich nur möglich, wenn die Praxis selbst gewählt werden kann.
  • Ein positiver und offener Umgang mit der Familienkonstellation erleichtert aussenstehenden Personen den Zugang zu diesem Thema. Ebenfalls ist eine gute medizinische Begleitung und Behandlung darauf angewiesen, alle relevanten Informationen zu haben.
  • Beim Erstkontakt mit medizinischen Fachpersonen darf gerne auf die Informationsbroschüre über Regenbogenfamilien aufmerksam gemacht werden.
  • Sollte es dennoch Probleme geben, kann beim Dachverband Regenbogenfamilien Hilfe angefordert werden.
Was ihr vom Gesundheitswesen erwarten dürft
  • Für alle medizinischen Fachpersonen gilt der Grundsatz: Jeder Mensch muss gleichbehandelt werden, egal welche sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität oder Familienkonstellation er hat. Jede medizinsiche Fachperson untersteht zudem dem Arztgeheimnis.
  • Die Familienkonstellation darf nicht zum Nachteil bei der Behandlung oder Betreuung werden.
  • Bei Problemen mit anderen Patient_innen aufgrund der sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität und/oder Familienkonstellation darf vom medizinischen Fachpersonal und der Institution erwartet werden, dass man als Familie oder Einzelperson vor Übergriffen und Diskriminierung geschützt wird.
  • Kommt es zu Problemen mit medizinischen Fachpersonen, liegt es im Interesse der Institution, diese aus der Welt zu schaffen. Probleme dürfen direkt angesprochen und das Recht auf gleiche Behandlung eingefordert werden.

[1] Anamnese: Eine Anamnese ist die systematische Erfassung aller pflegerelevanten Ressourcen und Probleme eines Patienten_einer Patientin. Dazu gehört auch die Erhebung des sozialen Umfeldes.

Nicht nur Kindergarten und Schule, sondern auch andere Institutionen, in denen sich Kinder aus Regenbogenfamilien bewegen, können Herausforderungen mit sich bringen. Vieles, was im obigen Kapitel zur Schule erwähnt wurde, kann auf den Umgang mit anderen Institutionen übertragen werden. Offenheit, die Äusserung von Erwartungen, der Austausch über das Wohlergehen des Kindes mit den jeweiligen Verantwortlichen oder die Reaktion bei konkreten Stigmatisierungserfahrungen beispielsweise sind überall eine gute Grundlage. Einige spezifische Besonderheiten gibt es dennoch, auf die im Folgenden kurz eingegangen wird.

Generelle Hinweise:

  • Bei Problemen mit den jeweiligen Institutionen (z.B. Kommunikationsschwierigkeiten oder wenn ihr unfair behandelt werdet) könnt ihr auf den Dachverband Regenbogenfamilien zukommen.
  • Im Bereich der Öffentlichen Verwaltung (also alle unten erwähnten Institutionen bis auf die letzten beiden) gibt es stets eine Aufsichtsstelle und oftmals – gerade in Städten – eine Ombudsstelle, an die ihr euch auch wenden könnt, wenn ihr nicht fair behandelt werdet.
  • Institutionen, bei denen ihr fehlendes Wissen über Regenbogenfamilien feststellt, könnt ihr auf das Weiterbildungsangebot des Dachverbands Regenbogenfamilien hinweisen sowie auf die frei verfügbaren Informationen auf unserer Website. Das ist auch hilfreich für andere Familien, die sich in Zukunft in derselben Situation befinden werden.
Schulergänzende (Hort, Tagesheim, Tagesschule) und vorschulische (Kita) Betreuung und Bildung

Die Frage, wer das Kind bringt und abholt, ist hier zentraler als im rein schulischen Kontext. Eine transparente Kommunikation darüber, wer die Elternteile sind, ist unerlässlich. Der Austausch zu familiären und damit persönlichen Themen ist in Kitas häufig ein wichtiger Faktor, um das Wohlergehen des Kindes bestmöglich zu gewährleisten. Vonseiten der Eltern ist eine möglichst selbstverständliche Offenheit über ihre Familiensituation daher von Vorteil, muss aber beim Gegenüber (Fachpersonen in der Kita) auf eine positive Grundhaltung zu LGBTIQ+-Elternschaft stossen, um fruchtbar zu sein. Es empfiehlt sich, dass ihr bei der Wahl der Kita vorgängig abklärt, wie das administrative und das Betreuungspersonal zu Regenbogenfamilien stehen. Wenn ihr keine Wahlmöglichkeit habt (z.B. i.d.R. bei der schulergänzenden Betreuung oder weil die Wunsch-Kita keinen Platz mehr hat) gilt es, die nötige Akzeptanz selbst einzufordern oder schaffen zu helfen. Aufklärung, der Verweis auf die Professionalität der betreffenden Fachpersonen und wenn nötig die Intervention bei der vorgesetzten Stelle sind mögliche Schritte.

Familienberatungsstellen

Auch hier empfiehlt es sich, die Haltung der lokalen Beratungsstelle gegenüber – und das Wissen über – Regenbogenfamilien vorgängig abzuklären und wenn nötig und möglich eine andere Familienberatungsstelle aufzusuchen. In der konkreten Beratungssituation könnt ihr bei Fragen, die euch eigenartig oder unangebracht erscheinen, das Unbehagen über die Frage äussern, den Grund für diese erfragen (unter Umständen gibt es bürokratische/rechtliche «Gründe» dafür) und sie allenfalls zurückweisen.

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB)

Besonders wenn die Eltern-Kind-Beziehungen rechtlich nicht anerkannt werden, oder in Verfahren zur Anerkennung derselben können Regenbogenfamilien in Kontakt mit den KESB kommen. Die KESB handeln dabei im Auftrag des Gesetzgebers. Das ist Chance und Risiko zugleich: Der Umgang mit diesem Auftrag kann nämlich sehr unterschiedlich sein. So gibt es KESB-Mitarbeitende, die versuchen, den Kontakt der Regenbogenfamilien mit den Behörden möglichst angenehm und wertschätzend zu gestalten, aber auch solche, die ablehnend gegenüber nicht heteronormativen Familienformen sind. Die Zusammenarbeit kann jedoch häufig bereits durch Aufklärung und Offenheit verbessert werden.

Weitere Behörden (Gemeinde-/Stadtverwaltung, Migrationsamt, …)

Die Gründe, die Behördengänge für viele Regenbogenfamilien zu einer Herausforderung machen, sind zwar manchmal direkte, offene Ablehnung, häufiger jedoch Ignoranz und Unwissen. Transparenz und Erklärung vonseiten der Familien können somit schon viel bewirken – auch wenn ihr das eigentlich nicht leisten müssen solltet. Bei unangebrachter, unsachlicher Neugier dürft ihr diese allerdings auch klar zurückweisen: Wenn ihr beispielsweise eure Ausländer*innenausweise erneuern wollt, hat die Entstehungsgeschichte eurer Familie grundsätzlich keine Relevanz – allzu neugierige Beamt*innen könnt ihr dann auf die Sachlichkeit zurückverweisen und sie dürfen das Abhängigkeitsverhältnis nicht ausnutzen.

Freizeitvereine (Sport, Musik, …)

Ähnlich wie bei Kita oder Hort ist der Einbezug der Eltern in Freizeitaktivitäten der Kinder wichtig, und somit ist auch hier eine transparente Kommunikation über die Familiensituation zu empfehlen. Hänseleien können und sollten ähnlich wie im Schulkontext behandelt werden – mit Einbezug der und vor allem Appellation an die diesbezügliche Verantwortung der Trainer*innen, Musikschullehrer*innen usw.

Religiöse Institutionen

Religiöse Einrichtungen oder Konfessionen bilden häufig eine Art «Paralleluniversum», da sie nicht nach den gleichen (rechtlichen und ethischen) Prinzipien funktionieren wie staatliche oder staatlich geregelte Institutionen. Nicht selten gibt es selbst innerhalb der einzelnen Konfessionen grosse regionale Unterschiede. Es lohnt sich daher, die Haltungen der einzelnen Gotteshäuser vor Ort zu erfragen und nach einer passenden Gemeinschaft zu suchen.